Das stetige Scheitern der Unternehmens- und Geschäftsführung

Autor: Thomas Uppenbrink

„Das ist eine übliche Flaute – die überstehen wir wie immer!“

Branchenübergreifend kommt es in Unternehmen immer wieder zu kleineren oder auch größeren Krisen.

Die Frage ist jedoch, wie damit umgegangen wird und wie weit die Krisen im Vorfeld gesehen werden konnten, wie lange sie andauern und welche Substanz ein Unternehmen benötigt, um sie zu überleben.

In der Praxis muss immer wieder festgestellt werden, dass Unternehmer und Unternehmerinnen

  • laut eigenen Aussagen „die Krise nicht haben kommen sehen“,
  • entsprechende Maßnahmen gar nicht oder verspätet eingeleitet haben,
  • versucht haben, die Krise (wie üblich) auszusitzen,
  • lieber die „Schuldigen“ suchen, anstatt sinnvolle Gegenmaßnahmen einzuleiten,
  • die langfristigen Auswirkungen der akuten Unternehmenskrise unterschätzen.

Gerade bei mittelständischen Unternehmen erkennt man sehr oft im Nachhinein, dass die Geschäftsführung lediglich von einer kurzfristigen Unternehmenskrise ausging, man die Situation also häufig von Beginn an völlig falsch eingeschätzt hat.

Auf die Vielzahl von Entwicklungen, Warnsignalen und Hinweisen durch die Mitglieder der steuerberatenden Berufe wurde nicht eingegangen oder man hat sie (wie oft üblich) einfach ignoriert, da man „sowas ja schon öfter hatte“ und man immer irgendwie Fuß fassen konnte.

Erstmals durch die gesetzlichen und regulativen Vorgaben während der Corona-Krise haben dann viele Geschäftsführungen und Unternehmensleitungen erkannt, dass ein sehr wichtiges internes Krisenmanagement nicht existiert. Viele Unternehmen konnten sich dann nur noch durch Hilfspakete und/ oder Darlehen über die KfW retten, allerdings lediglich kurzfristig, da nun Rückzahlungsansprüche auch aufgrund fehlerhafter oder falscher Antragsunterlagen drohen oder eben die laufenden Raten bedient werden müssen, die eine enorme Belastung für die laufenden Liquidität darstellt. Denn niemand wollte so recht wahrhaben, dass nach der Krise auch noch eine schlechte konjunkturelle Lage vorherrschen würde. Aber Kriege, politische Entscheidungen und eine generelle Kaufzurückhaltung belasten in Summe viele Unternehmen aktuell immens.

„Wir sind ein Traditionsunternehmen – wir können nichts ändern!“

Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen, geführt durch mehrere Generationen, sind Abläufe häufig sehr festgefahren. Branchenanalysen, Controlling und sonstige Frühwarnsysteme werden kaum verfolgt, da die grundsätzlich bewerte Unternehmenstradition fälschlicherweise die Verhaltensweisen vorgibt. Modernen Führungsstrukturen, Analysen von Kosten und Nutzen oder Beauftragungen von Beraterinnen und Beratern wird keine große Beachtung beigemessen.

Dass sich Unternehmen weiterentwickeln und sporadisch ändern müssen, um sich den fluktuierenden Märkten anzupassen, wird bei Traditionsunternehmen oft nicht gesehen oder eben nur halbherzig umgesetzt.

Je älter die Geschäftsleitung ist, desto schwieriger wird es in der Regel, Änderungen für das Unternehmen umzusetzen.

„Unser guter Name ist der Vertrieb – die Kunden kennen uns!“

Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, dass bei zum Teil namenhaften Unternehmen kein aktiver Vertrieb installiert wurde. Man geht davon aus, dass man über die Generationen bei allen Kunden bekannt ist und diese bei Bedarf schon auf das Unternehmen zukommen werden. Tatsächlich hat sich aber in den letzten Jahren auch durch den Einsatz von digitalen und sozialen Medien die Vertriebsaktivität deutlich verändert.

Nicht allein die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einkauf der Kundenunternehmen haben gewechselt, sondern das Verhalten bei Anfragen und/ oder Bieterverfahren ist komplett umgestellt worden.

Auch wird bei krisenbehafteten Unternehmen immer wieder festzustellen sein, dass der Vertrieb nur die schon bekannten Kunden betreut und mehr oder weniger damit eine rückläufige Kundschaft verwaltet. Maßnahmen um neue Kundschaft zu akquirieren oder verlorene Kunden wieder zu gewinnen sind dann in der eingetretenen Krise kaum noch möglich, weil die Mittel nicht mehr vorhanden sind und/ oder schon eine drohende Zahlungsunfähigkeit identifiziert wurde. Es gibt aktuell Branchen, in denen die Umsätze nur noch über und durch digitale Kanäle garantiert sind. Selbst im Hightech-Bereich werden immer öfter Ausschreibungen über Dienstleister durchgeführt, die eine rein digitale Abwicklung anbieten.

Werden von den krisenbehafteten Unternehmen diese Marktanforderung nicht berücksichtig, fallen auch hier potenzielle Kunden aus, weil sie einfach nicht mehr erreicht werden.

„Jetzt will auch noch die Bank mit uns sprechen – die kennen uns doch!“

Banken und Sparkassen sind vom Gesetzgeber her verpflichtet, bei sich verschlechternder Lage des Kreditnehmers weitere Unterlagen abzufordern um bankenintern das Ausfallrisiko zu prüfen. Das heißt, bei einer immer größer werdenden Krise, die sich bei den Banken durch Überziehungen, Stundungen und/ oder Neuverhandlungen von Krediten wiederspiegelt, sind alle Finanzinstitute in Deutschland verpflichtet, sich vertieft mit der wirtschaftlichen Situation des krisenbehafteten Unternehmens auseinanderzusetzen. Gerade im Hinblick auf den Zeitdruck und die Inanspruchnahme der Geschäftsführung bei einer Unternehmenskrise sind dann die Wünsche und Forderungen von Banken und Sparkassen nicht nur lästig, sondern führen auch oft zu Unverständnis und möglicherweise zum Streit mit der Hausbank, was zu einer weiteren Vertiefung der Krisen führen kann.

Die Geschäftsführung benötigt Geld, damit die offenen Verbindlichkeiten bedient werden und die Hausbank verwehrt eine Verlängerung oder Erweiterung eines Kontokorrentkredits, weil Kosten- und Erlösplanung, aktuelle BWA oder belastbare Liquiditätspläne fehlen oder eben keine weiteren Mittel mehr zulassen.

Der von vielen Traditionsunternehmen vermutete „Bestandsschutz“ bei der Hausbank existiert nicht (mehr). In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber unter Mitwirkung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Vorschriften bei der Betreuung von notleidenden Unternehmen so extrem verschärft, dass es keine allzu großen Gefälligkeiten mehr geben kann.

Schlechtestenfalls kommt es zur Einstellung der Versorgung von kurz- und langfristigen Krediten und sogar zu einer Kündigung und Fälligstellung aller Kredite, wenn der Nachweis einer Sanierung und zukünftigen Gesundung des Unternehmens nicht glaubhaft erbracht werden kann.

„Sanierungsgutachten? – das haben wir nicht nötig!“

In letzter Konsequenz wir die Bank ein objektives Sanierungsgutachten nach IDW S 6 fordern, um eine Analyse der Krise zu erhalten und mögliche Sanierungsansätze zu entwickeln. Oft wird hier von Geschäftsführung und Gesellschaftern die Meinung vertreten, dass es sich um Geldverschwendung handeln würde und externe Beraterinnen und Berater nicht in der Lage wären, Sanierungsideen zu entwickeln, weil man Markt und Kunden selbst am besten kennen würde.

Die bedrohliche Situation wird häufig entweder nicht erkannt oder heruntergespielt.

„Betriebsergebnis und Kapitalentwicklung – die Steuerberatung sieht immer alles negativ!“

Mit der Einführung des § 102 StaRUG sind Steuerberaterinnen und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer gesetzlich verpflichtet, nicht nur unterjährig auf die Kapitalentwicklung zu achten und entsprechende Fehlentwicklungen der Geschäftsführung zu melden, sondern stehen auch in der Pflicht, keine Jahresabschlüsse zu Fortführungswerten mehr aufstellen, wenn eine bilanzielle Überschuldung vorliegt.

Regelmäßige Hinweise auf eine schlechte Entwicklung des Betriebsergebnisses, auf besorgniserregende Kapitalentwicklung und mahnende Worte zum Entnahmeverhalten der Geschäftsführung häufen sich somit bereits zu Beginn einer sich abzeichnenden Krise.

 „Sanierungsspezialisten beauftragen – was wissen die schon mehr als wir?“

Folgt dann von den Sparkassen und Banken auch noch die Aufforderung, einen entsprechenden Sanierungsspezialisten zu beauftragen, der neben der Erstellung eines Sanierungskonzepts auch die Begleitung und vor allem die Umsetzung von möglicherweise unpopulären Maßnahmen in Sanierungsfällen durchführen soll, fühlen sich Geschäftsführungen in Ehre und Tradition verletzt.

Tatsächlich hat sich die Insolvenzordnung auch deshalb in den letzten Jahren stetig dahingehend entwickelt, dass Geschäftsleitung und Geschäftsführung mittlerweile hohe Haftungsrisiken zu fürchten hat, wenn der Zeitpunkt der Insolvenzreife ignoriert und ein Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde bzw. keine Maßnahmen zur Abwendung der Krise eingeleitet wurden. Insolvenzverschleppen ist kein Kavaliersdelikt mehr, sondern führt in der Regel später zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Möglicherweise wissen die Sanierungsspezialisten tatsächlich nicht mehr von der Branche, jedoch kennen sie Mittel und Wege, wie mit Gläubigern umgegangen werden muss, um eine Sanierung überhaupt erst zu ermöglichen. Auch sind Sanierungsspezialisten meist mit Vertrauensvorschuss ausgestattet, was ihnen zielführende Verhandlungen mit Banken, Gläubigern und ggfs. der Belegschaft ermöglicht.

„Bilanzielle Überschuldung – gab´s doch früher auch nicht!“

Aufgrund der aktuell geltenden Gesetzeslage sind Steuerberaterinnen und Steuerberater heute verpflichtet, bei überschuldeten Bilanzen das Mandat mindestens erst einmal ruhend zu stellen, bis die Überschuldung durch Vorlage einer positiven Fortbestehensprognose geheilt wurde. Diese Gesetze haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer aber noch nicht akzeptieren können.

Erst eine von dritter Seite erstellte, positive Fortbestehensprognose ist ein adäquates Entlastungszertifikat für die Steuerberatung, dann mit Nachweis der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens für die nächsten 12 Monate den Jahresabschluss zu Fortführungswerten aufzustellen.

„Wir sind nicht zahlungsunfähig – wir zahlen immer irgendwie!“

Der Gesetzgeber definiert die Zahlungsunfähigkeit von Kapitalgesellschaften sehr genau. Danach liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, seine fälligen Pflichten innerhalb der vorgegebenen Zahlungsziele zu erfüllen. Verschieben sich die Zahlungspflichten unterhalb von 3 Wochen, dann geht man in der Regel noch von einer Zahlungsstockung aus. Verschiebt sich aber die Fähigkeit zur Zahlung aller fälligen Verpflichtungen auf eine Zeit danach, dann geht der Gesetzgeber von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit aus – sehr vereinfacht beschrieben.

Eine Zahlungsunfähigkeit macht sich in der Regel dann bemerkbar, wenn neben überfälligen Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung auch die Berufsgläubiger (Krankenkassen, Finanzamt, Berufsgenossenschaften) nicht oder nicht im Rahmen der Fälligkeiten bedient werden können.

Geschäftsführung und Unternehmensleitung kommen hier aber häufig zu ganz anderen Einschätzungen: Gefühlt schaffte man doch irgendwie in den letzten Monaten ja immer noch, die Pflichten mit großem Zeitverzug oder Stundungen und Ratenzahlungen zu bedienen – eine Zahlungsunfähigkeit sei daher doch nicht gegeben.

Dieser falsche Eindruck ist immer dann sehr schmerzhaft, wenn es im Rahmen eines späteren Insolvenzverfahrens zu Anfechtungen und Durchsetzung von Forderungen gegen das persönliche Vermögen der Geschäftsführung/ Unternehmensleitung aus Haftungsansprüchen kommt und die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren anstrengt wegen Insolvenzverschleppung.

„Insolvenz ist für uns keine Alternative!“

Die Angst durch ein Insolvenzverfahren enteignet zu werden oder den guten Namen zu beschmutzen ist immer groß. Man kann hier auch nichts schön reden: es gibt leider immer noch Insolvenzverwaltungen, die die Präambel der Insolvenzordnung punktgenau einhalten und nicht an einer Sanierung, sondern an einer Zerschlagung interessiert sind. In der Insolvenzordnung steht, dass die größtmögliche Befriedigung der Gläubiger Vorrang hat. Dabei ist es unerheblich, ob das Unternehmen fortgeführt wird, das Unternehmen an einen Dritten veräußert wird oder eine komplette Betriebsschließung mit Zerschlagung die Folge ist. Das führt natürlich zur Angst aller Beteiligten, fristgerechte Insolvenzanträge zu stellen.

Tatsächlich gibt es nun aber schon länger das bewährte Mittel der Eigenverwaltung, mit der der Gesetzgeber vorgibt, dass das Schuldnerunternehmen, vertreten durch die Geschäftsführung nebst beauftragten Sanierungsexperten, sich selbst über ein Insolvenzverfahren sanieren kann. Am Ende eines solchen Verfahrens steht meist ein Insolvenzplan, der (wenn durch die Gläubiger angenommen) eine gesamte Sanierung des Unternehmens vorsieht und dann das Unternehmen entschuldet an den ursprünglichen Gesellschafterkreis zurückgeht.

Der Gesetzgeber fordert auch, dass das eigenverwaltete Verfahren durch eine Sachwaltung kontrolliert wird; hier ist es aber in den meisten Fällen mittlerweile so, dass die Sonderbevollmächtigten (zum Teil selbst tätige Insolvenzverwalter) durchaus die Möglichkeit haben, bei den Gerichten Vorschläge abzugeben, wer denn branchenspezifisch als Sachwalter bzw. Sachwalterin zu dem Verfahren passt.

Fazit: Wer die Krise nicht als solche erkennt, wird früher oder später scheitern.

Wenn erst die Kontenpfändungen der Sozialversicherungsträger eingehen oder die Banken entsprechende Konten kündigen, fällig stellen und bei den sicherungsübereigneten Waren Bearbeitungsverbote aussprechen, ist im Grunde der Kampf bereits verloren.

Zaudern und Zuwarten ist oft das übliche Verhalten der Geschäftsführung/ Unternehmensleitung und fordert am Ende häufig den ultimativen Preis: das Unternehmen und das private Vermögen.

Werden Sanierungsmaßnahmen zu spät eingeleitet, kann die Insolvenzreife möglicherweise schon so tief sein, dass weitere Handlungsspielräume nicht mehr bestehen.

Konnte kürzlich noch eine Eigenverwaltung mit anspruchsvollen Unterlagen, die dem Gericht vorgelegt werden müssen, initiiert werden, so kann drei bis vier Monate später das gleiche Unternehmen nicht mehr eigenverwaltungsfähig sein.

Zwischen einer Eigenverwaltung mit langfristiger Sanierung des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans und einem Regelinsolvenzverfahren mit Verkauf des gesamten Unternehmens an Dritte oder Zerschlagung stehen häufig nur wenige Wochen oder Monate.

Es liegt somit an der Geschäftsführung und der Steuerberatung, die Krise zu erkennen, zu akzeptieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

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