Autor: Thomas Uppenbrink
Eigenverwaltetes Insolvenzverfahren zur Sanierung und zum Erhalt von Unternehmen
Der Gesetzgeber hat mehrfach die Insolvenzordnung dahingehend angepasst, dass Unternehmen, die im Kern gesund sind aber durch Forderungsausfälle, Verschlechterung der Marktsituation, Wegfall von Vertriebswegen, Preisverfall oder durch Einfluss von Krieg, Gesetzgebung, Fachkräftemangel in Schwierigkeiten gekommen sind, so nachhaltig zu sanieren, dass am Ende das Unternehmen den Gesellschafterinnen und Gesellschaftern entschuldet wieder nach Annahme eines Insolvenzplans zurückgegeben wird.
Der Gesetzgeber verlangt bei der Eigenverwaltung eine Begleitung durch insolvenzerfahrene Spezialisten
Es muss dazu allerdings dafür Sorge getragen werden, dass der Eigenverwalter selbst oder die beauftragten Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung entsprechend insolvenzrechtliche Kenntnisse besitzen und bei Gericht den Nachweis erbringen, über Erfahrungen und Kenntnisse im Insolvenzrecht und speziell im Bereich der Eigenverwaltung zu verfügen.
Der Gesetzgeber will damit sichergehen, dass insolvenzrechtliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse entweder bei der Geschäftsführung oder den eingesetzten Sonderbevollmächtigten vorhanden sind, um überhaupt die Eigenverwaltung gesetzeskonform zu gestalten.
Sinn und Zweck des eigenverwalteten Insolvenzverfahrens
Wie beim Regelverfahren gilt auch, dass im Rahmen einer Eigenverwaltung die gleichmäßige und bestmögliche Befriedigung aller Gläubiger vom Gesetzgeber vorgegeben wird.
Allerdings ist auch der Sinn und Zweck eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens, das Unternehmen nachhaltig zu entschulden und am Ende durch Annahme eines Insolvenzplans an die Gesellschafter/ Inhaber schuldenfrei zurück zu geben, damit diese dann wieder am geregelten Wirtschaftsverkehr teilnehmen können.
Im Wesentlichen gilt es von Seiten der Eigenverwaltung und den Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung darauf zu achten, dass die Eigenverwaltung nicht gegen die Gläubigerinteressen verstößt. Hierzu wird auch noch ein Sachwalter zur Überwachung des Verfahrens bestellt.
Eigenverwaltung legt den Fokus auf Unternehmenssanierung
Ziel der Eigenverwaltung ist es, das schuldnerische Unternehmen mittels eines Insolvenzplans nachhaltig zu sanieren. Der Vorteil eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens ist, dass durch die Anordnung der Eigenverwaltung das schuldnerische Unternehmen (und die eingesetzte Geschäftsführung) ihre Verfügungsmacht behält und damit auch die überwiegende Kontrolle über die Unternehmensführung innehat und maßgeblich Einfluss auf die Sanierung nehmen kann.
Entgegen der sonst üblichen Praxis der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (mit Zustimmungsvorbehalt) ohne Kenntnis der Kunden- und Lieferantenstruktur, verfügt die Geschäftsführung sowie die Sonderbevollmächtigten in der Eigenverwaltung genau über dieses Wissen und sind zumeist mit den handelnden Personen auf beiden Seiten bekannt.
Quote oft besser in der Eigenverwaltung
Immer öfter zeigt sich auch, dass das Ergebnis der Quote für die Gläubiger in der Eigenverwaltung zumindest genauso gut oder besser ist als bei Regelinsolvenzverfahren mit eingesetztem Verwalter. Allein das Bemühen der Eigenverwaltung, hier in den persönlichen Gesprächen mit den Gläubigern (und damit meist mit den Lieferanten) für Verständnis zu werben, dass nur ein entschuldetes Unternehmen wieder ein guter Abnehmer für die Zukunft ist, hilft in der Regel sehr.
Die Eigenverwaltung hat die Chance, eine „sozial anerkannte“ Sanierung durchzuführen und gleichzeitig die Quotenforderung des Gesetzgebers zu erfüllen.
Krisenresistenz des Eigenverwalters ist gefordert
Das eigenverwaltete Insolvenzverfahren wird dann von den Gerichten nicht oder nur schwerlich angenommen, wenn von vornerein klar ist, dass die Geschäftsleistung und die eingesetzten Sanierungsberaterinnen und Sanierungsberater der Aufgabe nicht gewachsen sind und dies möglicherweise durch schlechte oder fehlerhafte Antragsunterlagen im Vorfeld bereits dokumentieren.
Grundsätzlich wird eine Eigenverwaltung dann nicht möglich sein, wenn schon im Vorfeld deutliche Verfehlungen des Schuldners oder der Geschäftsführung des schuldnerischen Unternehmens vorliegen oder aufgrund der Drucksituation zu erwarten sind.
Eine frühzeitige Information der Geschäftsführung im Vorfeld einer geplanten Eigenverwaltung ist unbedingt nötig, da im Vorfeld die gesetzlichen Vorgaben einer Eigenverwaltung unbedingt bedacht und eingehalten werden müssen.
Je früher desto besser – Auseinandersetzung mit dem eigenverwalteten Insolvenzverfahren
Die Inhaber bzw. die Geschäftsleitung des schuldnerischen Unternehmens sollten sich zwingend im Vorfeld der Insolvenz bereits mit den Alternativen eines Insolvenzverfahrens auseinandergesetzt haben.
Welche Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Ergebnisses und welche Maßnahmen zur Erhaltung der Liquidität ein- und umgesetzt werden, sind im Vorfeld eines selbst initiierten Insolvenzverfahrens auszuarbeiten bzw. zu verproben.
Allein die Entschuldung eines Unternehmens nützt überhaupt nichts, wenn das Unternehmen in der Zukunft weiterhin Verluste produzieren würde!
Druck auf Eigenverwalter und Sonderbevollmächtigte ist groß
Neben dem Bemühen, ein Unternehmen – auch in der Eigenverwaltung – gegen alle Widrigkeiten am Leben zu erhalten, führen auch die zusätzlichen Belastungen, wie Gerichtsauflagen, Auflagen von Gläubigerausschüssen, berechtigte oder unberechtigte Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft zu außerordentlichem Druck auf alle Beteiligten.
Daneben ist auch zu bedenken, dass möglicherweise die Geschäftsführer/ Inhaber erst einmal durch Kreditkündigungen oder Heranziehung von Bürgschafts- und Haftungsansprüchen persönlich unter Druck gesetzt werden könnten.
Sollte sich nah der Einschätzung des Sanierungsberaters/ Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung herausstellen, dass die bisher tätige Geschäftsführung nicht für den Zeitraum der Eigenverwaltung geeignet erscheint, ist im Vorfeld des Verfahrens über einen Geschäftsführerwechsel oder den Einsatz von Bevollmächtigten bei inhabergeführten Unternehmen nachzudenken.
Jede Eigenverwaltung stirbt bei „Versuch und Irrtum“
Schon von Beginn an ist darauf zu achten, dass die Vorbereitung einer Eigenverwaltung absolut professionell durchgeführt wird.
Neben dem gesetzeskonformen Insolvenzantrag sind im Vorfeld Liquiditätspläne, Insolvenzgeldanträge, Besonderheiten des schuldnerischen Unternehmens und sämtliche gesetzliche Auflagen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu planen bzw. vorzubereiten.
Die Sanierungsberater werden mit der Geschäftsleitung sowohl die rechtlichen als auch die betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Gegebenheiten prüfen bzw. auf die insolvenzspezifischen Anforderungen abändern.
Im Wesentlichen ist darauf zu achten, dass die eingesetzten Sanierungsberater entweder selber Insolvenzverwaltungserfahrung haben oder regelmäßig als Sanierer (Referenzen?) tätig sind.
Je größer das schuldnerische Unternehmen ist, desto mehr Köpfe mit verschiedenen Kompetenzen wird das Beraterteam auf Seiten des Eigenverwalters haben müssen, um alle wesentlichen Schwerpunkte abzudecken.
Die Sanierungsberater bzw. Sonderbevollmächtigte der Geschäftsleitung sind einem Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter und dessen Team gleichzusetzen.
Der Sachwalter, ein vom Gesetzgeber geforderter „ Aufsichtsratsvorsitzender“ der mit Beschluss des Gerichts ebenfalls eingesetzt ist, wird in der Regel umso genauer auf das Verfahren schauen, umso unsicherer er ist, dass die Sanierungsberater bzw. begleitende Berater der Eigenverwaltung keine oder wenig Erfahrung in der Insolvenzverwaltung haben.
Teilen sich Sanierungsberater und Sachwalter als kompetente Gegenparts das Verfahren, so wird die Arbeit (inkl. Gläubigerausschuss) in der Regel störungsfrei laufen. Neben den Auflagen des Gesetzgebers und der Sondersituation der Eigenverwaltung werden die Sanierungsberater auch die Eigenheiten des Gerichts bzw. der dort tätigen Richter im Vorfeld recherchieren und im Rahmen des Antrags berücksichtigen.
Eigenverwaltung ist kein Selbstläufer
Die Ablehnung einer Eigenverwaltung und eine Bestellung eines „fremden“ Verwalters kann die gesamte Sanierung gefährden, weil ja im Vorfeld bereits mit wesentlichen Kunden und Lieferanten die Eigenverwaltung abgestimmt worden ist (allein durch die Gespräche bei der Besetzung eines möglichen Gläubigerausschusses!).
Der Gläubigerausschuss ist ein Gremium bestehend aus mindestens 3 Gläubigern, die in der Regel aus dem Vertreter der Belegschaft (Betriebsratsvorsitzender), eines großen gesicherten Lieferanten und eines kleinen Lieferanten bestehen.
Um hier das Gericht von der Sinnhaftigkeit einer Eigenverwaltung zu überzeugen, werden die eingesetzten Berater versuchen, alle Eventualitäten zu erkennen, Maßnahmen und Möglichkeiten zu finden, um tatsächlich Gläubiger, Richter oder sonstige Verfahrensbeteiligte davon zu überzeugen, dass die Eigenverwaltung in diesem speziellen Fall die bessere Wahl ist.
In der Regel werden die entsprechenden Pläne und Vorgaben von den Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung erstellt bzw. ausgearbeitet.
Mit der Beauftragung der Geschäftsführung des Schuldners/ der Schuldnerin werden dann sofort alle nötigen Arbeiten von den Sonderbevollmächtigten eingeleitet, um zeitnah einen qualifizierten und vom Gesetzgeber vorgegebenen Antrag auf Eigenverwaltung beim hiesigen Insolvenzgericht einreichen zu können.
So frühzeitig wie möglich den Kontakt zu fachkompetenten Spezialisten suchen
Eigenverwaltung ist nicht immer die beste Verfahrensart. Sind die Gläubiger im Vorfeld schon verärgert, muss möglicherweise ein starker vorläufiger Verwalter kraft seines Amtes und durch Beschlüsse des Gerichts harte und konsequente Entscheidungen umsetzen. Dann ist die Eigenverwaltung die falsche Form des Verfahrens.
Eigenverwaltung bedeutet immer, dass ein Insolvenzverfahren mit der Geschäftsführung und den Inhabern durchgeführt wird, die immer noch das Vertrauen der Gläubiger und der Kunden genießen, obwohl diese möglicherweise im Rahmen der Quoten Verluste erleiden. Langjährige Geschäftsbeziehungen erleichtern natürlich hier auch die (Vor)Gespräche mit Kunden und Lieferanten (Gläubigern).
Verbindungen mit Erfahrungen helfen
In der Eigenverwaltung ist es wichtig, dass Sonderbevollmächtigte oder Sanierungsberater sich mit dem oder der Sachwalter/in gut verstehen. Ein gesetzeskonformes und vertrauensvolles Verhältnis hilft, in der Eigenverwaltung am Ende das Ziel zu erreichen, einen Insolvenzplan mit positiver Abstimmung zu erhalten. Dazu ist es wichtig, dass Sachwalter und Sonderbevollmächtigte Marktkenntnisse, Branchenkenntnisse und ein Gefühl für die Krise des Unternehmens haben.
Deshalb ist es oft so, dass die Sonderbevollmächtigten oder Sanierungsberater im Rahmen des Antrags Sachwalter bei Gericht vorschlagen, die über entsprechendes Know-How verfügen bzw. möglicherweise schon gemeinsame Verfahren erfolgreich in Insolvenzplanannahmen mündeten.
Was ist von der Unternehmensleitung im Vorfeld zu tun?
Generell gilt, im Vorfeld ist genau zu prüfen, ob das Unternehmen eigenverwaltungswürdig ist, ob die Geschäftsführung eigenverwaltungsfähig ist und ob die wirtschaftlichen Grunddaten auch so sind, dass eine Eigenverwaltung erfolgreich umgesetzt werden kann.
Der Gesetzgeber gibt nur die beiden Insolvenzgründe
- Drohende Zahlungsunfähigkeit
- (bei Kapitalgesellschaften) Überschuldung
als Möglichkeiten vor, diese im Rahmen einer Eigenverwaltung dann zu neutralisieren.
Es liegt zum Teil an der Branche, an der Historie, der bisherigen Geschäftsführung und den Sanierungsoptionen, ob eine Eigenverwaltung bei Gericht erfolgreich beantragt werden kann. Neben den vom Gesetzgeber geforderten Unterlagen sind die Gerichte darüber zu informieren, welchen Weg Geschäftsführung und Sonderbevollmächtigte bzw. Sanierungsberater einschlagen wollen.
Versuch und Irrtum im Vorfeld einer Eigenverwaltung
Sind im Vorfeld halbherzige Versuche unternommen worden, etwaige Ratenzahlungsvereinbarungen zu schließen oder unterschiedliche Absprachen mit Gläubigern zu treffen, die unter konservativer Betrachtung nicht funktioniert hätten, ist die Möglichkeit der Eigenverwaltung schon äußert eingeschränkt. Der gern von Geschäftsführung und Inhabern gegangene Weg kommt erst einmal selber „irgendwas“ zu versuchen, ist für eine konsequente Einleitung einer Eigenverwaltung kontraproduktiv.
Unbedingt beachten! Sprechen Sie mit erfahrenen Sanierern/ Restrukturierern/ Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung, die bereits eigenverwaltete Insolvenzverfahren erfolgreich mit Sachwaltung und möglichem eingesetzten Gläubigerausschuss durch Abschluss und Annahme von Insolvenzplänen abgeschlossen haben.
Versuch und Irrtum sowie unprofessionelle Herangehensweise kann schon eine Ablehnung des Insolvenzantrags bei Gericht hervorrufen und möglicherweise im Rahmen des späteren Verfahrens den Sanierungserfolg in Frage stellen.