Jahresabschlüsse und Bilanzierung von Kapitalgesellschaften in eigenverwalteten Insolvenzverfahren

1. Insolvenz- und handelsrechtliche Vorgaben sind zu beachten

Die Bilanzierung von Kapitalgesellschaft, die sich in Eigenverwaltung befinden, erfordert besondere Aufmerksamkeit, da hier sowohl insolvenzrechtliche als auch handelsrechtliche Vorgaben berücksichtigt werden müssen.

Die Eigenverwaltung zielt grundsätzlich darauf ab, dass am Ende die Annahme eines Insolvenzplanes zur Fortführung der entschuldeten Gesellschaft führen soll. Anders als bei einem Regelinsolvenzverfahren werden deshalb Jahresabschlüsse zu Fortführungswerten aufgestellt, solange die Eigenverwaltung die Fortführungsfähigkeit nachweist.

Besondere Ausgangslage

Die Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. der Insolvenzordnung (InsO) ermöglicht es der    Geschäftsführung, während eines Insolvenzverfahrens die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten.

 Dabei wird die Geschäftsführung durch einen Sachwalter überwacht. Die Bilanzierung muss sowohl den insolvenzrechtlichen Anforderungen als auch den handelsrechtlichen Vorgaben des HGB entsprechen.

2) Grundlegende Bilanzierungsregeln

Auch während der Eigenverwaltung bleibt die Kapitalgesellschaft bilanzierungspflichtig nach dem    Handelsgesetzbuch (HGB). Dabei sind folgende Aspekte besonders zu beachten:

a) Fortführung der Unternehmenstätigkeit („Going Concern“)

Die zur Bilanzierung vorgelegte Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) muss trotz Weiterführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren geprüft werden. Die handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze bleiben unverändert erhalten.

Liegt keine positive Fortführungsprognose vor, muss eine Abkehr von der Going-Concern-Prämisse erfolgen. Das führt zur Liquidationsbewertung (niedrigere Einzelveräußerungswerte).

b) Zeitpunkt der Bilanzaufstellung/Rechnungskreise

    Der Insolvenzantrag bzw. die Verfahrenseröffnung stellen wesentliche Ereignisse dar, die die Bilanzierung beeinflussen können.

Handels- und steuerrechtliche Abschlüsse müssen vor Beginn der Eigenverwaltung aufgestellt bzw. aufgeholt werden.

3. Abschluss des vorläufigen eigenverwalteten Insolvenzverfahrens

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt formal ein neuer Rechnungskreis vor, der dazu führt, dass ein neues Wirtschaftsjahr eröffnet wird. Es ist eine Eröffnungsbilanz unter besonderer Beachtung der insolvenzrechtlichen Bewertung  aufzustellen.

Sollte das Verfahren dann über ein Jahr hinaus laufen, so sind einsprechende Abschlüsse zum Ende des Wirtschaftsjahres innerhalb der eigenverwalteten Insolvenz aufzustellen.

4. Annahme des Insolvenzplanes und Aufhebung des Verfahrens

Mit dem Gerichtsbeschluss zur Aufhebung des Verfahrens endet das Wirtschaftsjahr im eröffneten Insolvenzverfahren. Somit ist eine „Schlussbilanz“ aufzustellen und sogleich eine Eröffnungsbilanz mit den Wirkungen aus der Planannahme.

Es empfiehlt sich der Beschluss, dass die Gesellschaft nach Planannahme fortgeführt wird.

Auch sollte zeitgleich ein Beschluss gefasst werden, in dem der Bilanzaufstellungszeitraum

wieder dem Kalenderjahr angepasst wird, falls das gewünscht wird.

5. Insolvenzspezifische Bilanzierung

a) Ausweis von Verbindlichkeiten

Verbindlichkeiten, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind, sind als Insolvenzforderungen auszuweisen.

Neue Verbindlichkeiten während der Eigenverwaltung (sog. Masseverbindlichkeiten) sind separat auszuweisen, da sie vorrangig zu bedienen sind.

b) Rückstellungen

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind zu prüfen und gegebenenfalls neu zu bewerten, insbesondere für Verfahrenskosten oder eventuelle Schadensersatzansprüche.

Dies gilt insbesondere für eventuelle Ansprüche aus insolvenzrechtlichen Anfechtungen.

c) Sonstige Steuerverbindlichkeiten

Es ist zwingend erforderlich, die steuerlichen Angelegenheiten genauestens zu erledigen und für den entsprechenden Insolvenzzeitraum abzugrenzen.

Schätzungen seitens der Finanzverwaltung, bezüglich sämtlicher Steuerarten, müssen durch Voranmeldungen, Steuererklärungen und vorläufigen Bescheiden entgegnet werden.

Alle steuerlichen und handelsrechtlichen Obliegenheiten müssen mit Vorlage des Insolvenzplans erfasst und verarbeitet werden.

6. Offenlegung und Anhang – Angaben

Der Anhang des Jahresabschlusses muss auf die Eigenverwaltung und die damit verbundenen Risiken eingehen.

a) Der Hinweis auf die Eigenverwaltung.

b) Informationen zur Fortführungsprognose.

c) Darstellung von Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen.

7. Zusammenarbeit mit Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung oder Sanierungsberater

Die Geschäftsführung muss eng mit den Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung und/oder den Sanierungsberatern  zusammenarbeiten, da dieser die wirtschaftliche Lage und die ordnungsgemäße Durchführung der Eigenverwaltung gestalten und/oder überwachen.

Laufende Aufträge von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bleiben erhalten bzw. müssen erfüllt werden. Sonderbevollmächtigte oder Sanierungsberater sollten bei der  Erstellung der Bilanzen eingebunden sein, um sicherzustellen, dass die handels- und insolvenzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

8. Praktische Hinweise für Bilanzerstellung in Eigenverwaltung

a) Für die laufende Beurteilung des Verfahrens sind Liquiditäts- und Ertragsplanung notwendig.

Sie werden regelmäßig von den Sonderbevollmächtigten oder den Sanierungsberatern erstellt bzw. akzeptiert.

b) Korrekte Trennung von Masse- und Insolvenzverbindlichkeiten.

c) Dokumentation und Kommunikation.

Eine transparente Dokumentation ist essenziell. Bei größeren Verfahren fungiert auch der Gläubigerausschuss – als Kontroll- und (Mit)Verfügungsorgan.

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