1. „Wem sage ich was?“
Das Unternehmen / die Unternehmensgruppe ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und es deutet sich an, dass eine Sanierung oder ein (eigenverwaltetes) Insolvenzverfahren eingeleitet werden muss.
Schon relativ frühzeitig sind den Sanierern und (vorläufigen) Insolvenzverwaltern bzw. Sachwaltern die wesentlichen Verfahrensbeteiligten bekannt. Für die involvierte Geschäftsleitung / die Inhaber und deren Berater ist es deshalb von größter Bedeutung zu wissen, wem was erzählt werden darf, welche gesetzlichen Auflagen und Informationssperren zu beachten sind und deren Nichtbeachtung haftungsrechtliche Probleme für alle Beteiligten auslösen könnte. Für die Sanierungs-/Insolvenzbeteiligten gilt es „auszumachen“, wo kommunikative und ethische Grenzen vorliegen, die ebenfalls zu beachten sind.
Grundsätzlich gilt, auch Schwierigkeiten müssen kommuniziert werden, um die wesentlichen Geschäftspartner (Lieferanten / Kunden) zu beruhigen und zur Mitarbeit zu bewegen.
Öffentlichkeitsarbeit in der Krise bedeutet auch, dass sehr enge juristische Grenzen vom Gesetzgeber gegeben sind, die es unbedingt (ggfs. fachliche, juristische Unterstützung einfordern) zu beachten gilt.
Auch sind Erklärungen, Wortwahl und fachliche Ausdrücke auf das Kommunikationsmedium abzustimmen. Sicher ist ein Beitrag in einer allgemeinen Tageszeitung anders zu erarbeiten, als bei einer in der Branche angesehenen Fachzeitschrift. Für die gesamte Zeit der Sanierung und / oder des (eigenverwalteten) Insolvenzverfahrens gilt: kontinuierliche und neutrale, fachliche Berichterstattung ist extrem unterstützend.
2. „Wir sind pleite!“, was gibt es jetzt noch zu erzählen?!“
Für die Geschäftsführung / Inhaber ist eine Sanierung bzw. ein Insolvenzverfahren (in Eigenverwaltung) einer der schlimmsten Alpträume, die man sich als unternehmerisch tätiger Mensch vorstellen kann. Möglicherweise vor den Scherben der Existenz zu stehen und nicht weiter zu wissen, ist schon schlimm genug, aber was gibt es jetzt noch über die „Pleite“ zu erzählen?
Die Gründe, warum ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt oder Insolvenzantrag stellen muss, sind mannigfaltig. Die Gründe für eine Sanierung / Insolvenz sind nicht allein bei allen anderen oder im Umfeld zu sehen.
Die Geschäftsführung / Gesellschafter und übrigen Beteiligten sind gut beraten, durchaus kritisch auch ihr eigenes Wirken in der Vergangenheit darzustellen. Allerdings gibt es bei einer „Pleite“ auch zu berücksichtigen, dass immer noch Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter Vertrauen in das Unternehmen haben und auf eine Fortführung durch konsequente Sanierung und / oder Entschuldung durch ein Insolvenzplanverfahren hoffen.
3. 10 grundlegende Regeln der Krisenkommunikation
a) Etwas zu vertuschen ist in der Regel Selbstbetrug! Mut zur selbstkritischen Einschätzung und die Eingeständnisse von Fehlern wirken vertrauensbildend.
b) Aktive Ansprache schafft Meinungsvorsprung! Das Warten auf Entwicklung (Reaktion) verursacht Rechtfertigungszwang.
c) Kurzfristige Schadensbegrenzung ist nicht hilfreich und verpufft! Erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit setzt auf geplante (langfristige) Neuorientierung und bildet Vertrauen.
d) Die Kommunikation in der Krise ist Sache der Geschäftsleitung oder der entsprechenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Gesamtsituation kennen!
e) Anfragen von Journalisten werden aktiv und neutral ohne Werbeinhalte bearbeitet! Weder werden Journalisten abgeblockt noch korrumpiert – eine gesunde Distanz im Umgang miteinander sowie eine offene und glaubwürdige Informationspolitik werden sich auszahlen.
f) Weder kämpferische Aktionen, noch massive Gegendarstellungen auf Unterhaltungspresseniveau sind hilfreich! Es geht nicht darum zu gewinnen.
g) Unangemessene Überreaktionen (zum Beispiel persönlicher Art) sind zu unterlassen!
h) Gefragt ist auch kein „Konsensmanagement“!
i) Freunde und Feinde gilt es zu überprüfen und gegebenenfalls für die (neutrale) Sache zu involvieren!
j) Prävention und Aktion haben zeitnah zu erfolgen! Zuarbeit auf neutralem Wege bei kritischer Presse.
4. Alle stehen bei Krise und Insolvenz unter hohem (zeitlichen) Druck
Geschäftsführung, Sanierungsberater, Sach- bzw. Insolvenzverwalter, Kunden und Gläubiger stehen alle in einer Krise und Insolvenz unter hohem zeitlichen Druck. Können Sanierungsberater und Sach- bzw. Insolvenzverwalter mit der Gesamtsituation und dem hohen zeitlichen Druck professionell umgehen, so trifft das auf die anderen Verfahrensbeteiligten oft nicht zu.
Alle Beteiligten in einem Sanierungsfall oder einem Insolvenzverfahren agieren in einem hochsensiblen Umfeld, indem die völlig unterschiedlichen Interessen zahlreicher verschiedener Gruppen aufeinanderprallen.
Neben dem zeitlichen Druck bei Sanierung (gesetzliche Auflagen zwingen zum Teil dazu), ist dies auch bei einem vorläufigen Insolvenzverfahren – unter bestimmten Umständen – der Fall. Alle Verfahrensbeteiligten stehen auch unter immensem ökonomischem und emotionalem Druck. Fehlt es in einer solchen Ausnahmesituation an zuverlässigen und plausiblen Informationen, werden schnell „Fakten“ durch Gerüchte und Halbwissen ersetzt. Das kann eine erfolgreiche Sanierung eines Unternehmens unmittelbar gefährden oder schlechterenfalls sogar verhindern.
5. Keine leeren Worte – Kommunikation muss professionell gesteuert werden
Sowohl in der Sanierung als auch in der (vorläufigen) Insolvenzverwaltung ist es nötig, eine gewisse Größe des Unternehmens oder Marktdurchdringung vorausgesetzt, dass Sanierer und/oder Insolvenzverwalter und Schuldner gemeinsam den Informationsfluss, sowohl extern als auch intern, professionell steuern. Dazu sind mehrere Bereiche bzw. Aufgaben zu beachten:
• Bei unterschiedlichen Lesern, Hörern oder TV-Zielgruppen die Sanierungs- bzw. Verfahrensschritte zeitnah, glaubwürdig und verlässlich darstellen.
• Bis zu diesem Zeitpunkt geplante Maßnahmen frühzeitig und transparent weitergeben.
• Den Beteiligten im Sanierungs- bzw. Insolvenzverfahren Möglichkeiten, Perspektiven und Lösungen aufzeigen und so die Chance auf Kooperation, Mitwirkung und Unterstützung der Verfahrensbeteiligten erhöhen.
Über die gesamte Zeit der Sanierung bzw. des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens hinweg ist eine neutrale, transparente und (bei Bedarf) fachlich sehr anspruchsvolle Kommunikation mit allen Verfahrensbeteiligten ein maßgeblicher Baustein für den Erfolg der Sanierung / des Insolvenzverfahrens.
Abhängig von der Größe des zu sanierenden Unternehmens oder des in Insolvenz befindlichen Unternehmens und der Marktmacht bzw. des Bekanntheitsgrades, ist parallel schon zu Beginn der Sanierungsarbeiten / des Insolvenzverfahrens die Öffentlichkeitsarbeit begleitend umzusetzen.
6. Mitarbeiterbetreuung (bei Insolvenz)
Ist die Krise im Unternehmen nachhaltig bekannt, ist das Risiko des Weggangs der Leistungsträger enorm hoch. Deshalb ist es wichtig, bei erkennbarer und fühlbarer Krise, eine offene Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (und ggfs. dem Betriebsrat) zu pflegen.
„Durchhalteparolen“ oder überzogene Verschlechterung der Darstellung der wirtschaftlichen Situation sind gegenüber der Belegschaft kontraproduktiv. Auch ist eine sachliche und ruhige Art des Vortrags nötig und der Vortragende muss sich vorher damit auseinandersetzen, inwieweit fachliche Ausdrücke aus Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaft von der Belegschaft verstanden werden. Die Mitarbeiter müssen nach der Besprechung eine klare Vorstellung über die aktuelle und zukünftige Situation des Unternehmens haben. Unverständnis über die Situation führt in der Regel zu Unsicherheit und letztlich zu Neuorientierung bzw. Resignation.
7. Kundenbetreuung (bei Insolvenz)
Das Unternehmen als lebende Einheit ist abhängig vom Absatz / Umsatz und damit von seinen Kunden. Sie wollen auch in Krise und Insolvenz als solche entsprechend behandelt werden. Bei drohender Insolvenz (rechtliche Beratung unbedingt einholen) sollten sie rechtzeitig und (soweit es rechtlich zulässig ist) ehrlich informiert werden.
Die Kommunikation gegenüber Kunden sollte daher ebenfalls auf sachlicher Ebene entwickelt und gesteuert werden. Um keine Überreaktion bei der Kundschaft zu erreichen, ist es nötig, Krisenkommunikation äußerst vorsichtig (aber wahrheitsgemäß) auszurichten (gerade auch deshalb, weil möglicherweise die Krise noch abgewendet werden kann und die Kunden trotzdem verunsichert sein oder sogar verloren gehen könnten).
Bei unabwendbarer Insolvenz (sollten – mit Hilfe des vorläufigen Insolvenzverwalters -) die Kunden im Rahmen des gestellten Insolvenzantrages darüber informiert werden, dass neue Aufträge auch im Insolvenzverfahren abgewickelt werden können, ohne weitere Störungen des Zahlungsverkehrs.
Oft gibt es auch die Möglichkeiten, enge bzw. große Kunden wegen möglicher Alternativen anzusprechen, die über Vorauszahlungen, größere Abnahmen oder Vorausabnahmen bis hinzu Beteiligungen oder Übernahmen führen können.
8. Gläubigerbetreuung (bei Insolvenz)
Die Gläubigerbehandlung vor, in der Krise und vor der Insolvenz ist unbedingt mit einem insolvenzrechtserfahrenen Juristen im Rahmen einer umfassenden Beratung abzustimmen. Aufgrund der verschiedenen Haftungsszenarien für Geschäftsführer / Inhaber muss im Rahmen der Kommunikation eine (rechtlich haltbare) Auskunft über den Status des Unternehmens gegeben werden. Bei Investoren und speziell Sparkassen und Banken ist regelmäßig (gesetzliche Pflicht) eine Berichterstattung nötig und wahrscheinlich auch vereinbart, die nachweisbar, plausibel und wahrheitsgemäß sein muss.
Ähnlich gelagert wie bei den Kunden lässt sich möglicherweise auch ein wichtiger Lieferant auf Alternativen ein, um einen gemeinsamen Ausweg aus der Krise zu finden.
Auch hier ist eine sachliche und überaus realistische Kommunikation (nach rechtsanwaltlicher Würdigung) nötig und zeitnah erforderlich.
9. Emotionale Seite und Umgang mit der Geschäftsführung
Die Situation eines Unternehmens in der Krise oder Insolvenz ist für Geschäftsführer / Inhaber nicht nur äußerst unangenehm, sondern kann auch einen tiefen (persönlichen) Fall herbeiführen.
Auch unter den Umständen, dass die Insolvenz nicht zwangsläufig durch Fehlentscheidungen oder Versagen der Geschäftsführung entstanden ist, sondern zum Beispiel durch ein Zusammentreffen von unglücklichen Umständen, bleibt bei Außenstehenden der Eindruck eines Makels zurück, selbst wenn fachkompetente Dritte dies tatschlich nicht so sehen.
Da es für die emotionale Seite bei Unternehmenskrise und Insolvenz keinen allgemein gültigen Ansatz zum richtigen Umgang mit der Situation gibt, sind hier erfahrene, außenstehende Berater die wesentlichen Ansprechpartner.
Wichtig ist bei der Kommunikation, dass nach einer einhergehenden Analyse der eigenen Fehler der Geschäftsführung daraus Lehren gezogen werden und diese auch entsprechend kommuniziert werden.
Gerade bei Insolvenzverfahren, die über einen Insolvenzplan die Beendigung des Verfahrens als Ziel haben, ist ein offener Umgang mit der erlittenen Situation bei der Fortführung des Unternehmens nach Annahme des Insolvenzplans hilfreich und empfehlenswert.