Das schwierige Gespräch mit dem Mandanten über vorliegende Krisen- und Insolvenzindizien

Autor: Thomas Uppenbrink

Gesetzesänderung zwingt Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zum Handeln

Infolge des BGH-Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017, das mittlerweile durch eine Gesetzesänderung zu Beginn des Jahres 2021 in § 102 StaRUG verankert wurde, erhöht sich das Haftungspotential bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, wenn bei einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Jahresabschlusserstellung eine bilanzielle Überschuldung festgestellt wird.

„Risiko-Controlling“ liegt nun auch beim Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Mit Einführung des SanInsFoG wurde bei offenkundiger Annahme, dass dem Mandanten eine mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist, eine Hinweis- und Warnpflicht für Steuerberater und ähnlich tätige Berufsgruppen eingeführt. Im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen haben Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer nun eine Hinweispflicht.

Darüber hinaus wird erwartet, dass die steuerberatenden Berufe die Geschäftsführung und die Vorstände auf die Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung bei Insolvenzreife des Mandantenunternehmens hinweisen. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer werden als sachverständig gesehen und sind aufklärungspflichtig.

Wie sichert sich der Berater hier am besten ab?

Bei langjährigen und persönlichen Mandaten ist ein vertrauliches Gespräch mit der Geschäftsführung sinnvoll, um die Situation darzulegen und auch das Haftungsproblem des Steuerberaters zu erläutern. Ein Schriftsatz sollte vorgehalten werden, in dem auf die wirtschaftliche Situation hingewiesen wird und auch auf die zwingend einzuleitenden Schritte. Es ist ratsam, dass die Geschäftsführung des krisenbehafteten Unternehmens zur Entlastung des Steuerberaters/ Wirtschaftsprüfers diesen Schriftsatz unterschreibt, um einen Nachweis der Pflichterfüllung erbringen zu können.

Hier sollte gleichermaßen der Sachstand dargelegt und damit verbundene, notwendige Maßnahmen zur weiteren Vorgehensweise vorgeschlagen werden. Auch ist eine unterschriebene Kenntnisnahme durch die Verantwortlichen nötig. Für etwaige Krisengespräche wird dringend empfohlen, Protokolle zu führen und falls möglich auch Zeugen zur Besprechung hinzuzuziehen.

Vorbereitung und Faktenvorlage bei einem Krisengespräch mit der Geschäftsleitung

Die Hinweis- und Warnpflicht für die steuerberatenden Berufsgruppe ist dann zwingend zu berücksichtigen, wenn sie im Rahmen ihres Auftrages einen Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs.2 InsO, drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO sowie Überschuldung nach § 19 InsO) erkennen oder ernsthafte Anhaltspunkte für mögliche Insolvenzgründe erkennbar sind und angenommen werden muss, dass diese (mögliche) Insolvenzreife der Geschäftsleitung nicht bewusst ist.

Steuerberater ist bei Vorlage der Fortbestehensprognose zur Plausibilitätsprüfung angehalten

Kommen Berater im Rahmen ihrer Prüfung, zum Beispiel bei der Vorlage einer positiven Fortbestehensprognose durch die Geschäftsleitung, zu der Erkenntnis, dass die Einschätzung der Geschäftsführung unrichtig oder abweichend zu ihrer fachkundigen Prüfung ist, so haben sie auf die Unrichtigkeit der angewandten Grundsätze der Unternehmensfortführung hinzuweisen.

Für die steuerlichen Berater empfiehlt es sich, dass sie sich Quellen und Informationen zur Fortbestehensprognose (Liquiditätsplanung) von der Geschäftsführung aushändigen lassen. Gerade dann, wenn schon bekannt ist, dass die Branche in Schwierigkeiten ist und allgemein zugängliche Wirtschaftsdaten auf Rezession oder Marktprobleme hinweisen.

Bescheinigungen oder Testate dürfen ebenfalls dann nicht erteilt werden, wenn trotz schwerwiegender Einwendungen bestimmte Forderungen in die Liquiditätsplanung eingeplant werden, die bekanntermaßen mit hohem Ausfallrisiko verbunden sind oder zum Beispiel laufende Prozesse im debitorischen Bereich nicht mit der nötigen Risikobetrachtung eingeplant werden.

Aufforderung zur Vorlage einer plausiblen Fortbestehensprognose

Ist die vermeintlich positive Fortbestehensprognose nach einer gewissenhaften Prüfung unrichtig, unschlüssig oder schlichtweg überambitioniert und verlangt die Geschäftsführung trotzdem die Erstellung der Bilanz zu Fortführungswerten, sollte der Berater den Mandanten unter Nennung des tatsächlichen Sachverhalts zur Nachbesserung der Prognose auffordern oder ihm dazu raten, einen fachkundigen Dritten hinzuziehen, der die Prognose überarbeitet bzw. neu erstellt.

Mit dem Blick eines neutralen Sachverständigen sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer verpflichtet, die Fortbestehensprognose dann anzuzweifeln oder als unrichtig zu erklären, wenn tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.

Keine Herausgabe von Arbeitsbilanzen bei bilanzieller Überschuldung

Zu beachten gilt weiter, dass auch eine Arbeitsbilanz unter Going-Concern-Werten nicht außer Haus gegeben werden darf, wenn die entsprechende gesetzliche Problematik der handelsrechtlichen Überschuldung bekannt ist und keine weiteren Maßnahmen zur Neutralisierung der Insolvenzantragspflicht vonseiten der Geschäftsführung erfolgte.

Steuerberater muss auf Sicherung der Zahlungsfähigkeit hinweisen

Im Rahmen einer solchen Besprechung sollten bereits erste Maßnahmen zur Verbesserung der Lage thematisiert werden. Meist handelt es sich hier um Einsparpotentiale, die nur ungern gegenüber dem Mandaten angesprochen werden, sich aber als effektives Mittel erweisen können, um die angespannte Liquiditätssituation zu entlasten. Dazu gehört auch eine zeitnahe Reduzierung der Geschäftsführergehälter/ der Ausschüttungen bzw. der Entnahmen bei Freiberuflern oder Gewerbebetreibern. Dies anzusprechen fällt vielen Beratern schwer, da es sich um unangenehme Thematiken handelt.

Ein weiterer vermeintlich wunder Punkt bei vielen Mandanten sind familiäre Zusammenhänge. Auch hier halten sich viele Steuerberater zurück und sprechen die Thematik nicht oder nur ungern an. Bespiele hierfür sind lang fällige Forderungen gegenüber Familienangehörigen, zu hohe Personalkosten für Familienmitglieder, die im Unternehmen beschäftigt werden oder auch viel zu teure Fahrzeuge für Familienangehörige, die allesamt Liquidität und Ertragskraft des Unternehmens belasten.

„Gefühlte“ Zwänge des Steuerberaters

Viele Steuerberater scheuen sich eine sich abzeichnende Krise oder gar drohende Insolvenz insbesondere bei Mandanten anzusprechen, zu denen ein sehr enges persönliches Verhältnis besteht. Hier entsteht oft eine vermeintliche Verpflichtung des Beraters, die bedrohliche Lage zu relativieren.

Aber auch dann darf der Steuerberater die Haftungsvorschriften nicht ignorieren. Hier gilt es sich selbst und den Mandanten durch rechtzeitiges Eingreifen zu schützen. Die erkannten Probleme zu verschweigen hilft hier niemandem!

Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer müssen ohne Zeitverzug handeln!

Bei Erkenntnis eines vertieften Insolvenztatbestandes muss der Berater, um eigene Haftungsrisiken zu umgehen, das Mandat in letzter Konsequenz niederlegen. Es sollten unverzüglich alle Unterlagen des Unternehmens zur Übergabe bereitgestellt werden. Die Auslieferung sollte nur gegen eine Übernahmequittung erfolgen. Darin sollten sämtliche Akten und ggfs. treuhänderisch übergebene Unterlagen von Arbeitnehmern aufgelistet sein, so dass ein Nachweis der Übergabe vorliegt.

Bei einer klar erkennbaren Vermögensverschiebung oder der aus neutraler Sicht perspektivlosen Verzögerung der Insolvenzanmeldung durch den Mandanten, muss der Steuerberater zwingend seine Arbeiten einstellen und das Mandat niederlegen. Hier handelt es sich nicht um eine Mandatsniederlegung zur Unzeit, da die gesetzlichen Vorgaben den Steuerberater zwingen, das Mandat niederzulegen, um nicht in die Mithaftung für eine mögliche Insolvenzverschleppung zu geraten.

Externe Berater/ Spezialisten hinzuziehen

Für ein Gespräch, in dem Insolvenzreife erklärt wird, ist es von Vorteil einen Sanierungs-/ Insolvenzspezialisten hinzuzuziehen. Er kann die Situation fachkundig einschätzen und mit Lösungsvorschlägen weiterhelfen. So kann sich zudem der Steuerberater darauf verlassen, keine falschen Informationen weiterzugeben oder bei Fachfragen nicht angemessen reagieren zu können. Er sichert so sich selbst und seinen Mandanten bzgl. qualifizierter Informationen ab. Das konsequente Auftreten der Sanierungs-/ Insolvenzspezialisten entlastet den Steuerberater in Bezug auf seine eigene Haftung.

Wird bei Anzeichen einer Krise zu spät oder gar nicht eingegriffen, verliert das Unternehmen langfristig jede Sanierungschance.

Frühes Handeln notwendig

Eine rasche Umsetzung von Sanierungsbemühungen ist durchaus sinnvoll und kann dazu führen, dass eine Insolvenz abgewendet werden kann oder aber zumindest eine Eigenverwaltung möglich ist, wenn früh genug gehandelt kann.

Fazit

Eine Hinweis- und Warnpflicht ist für den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer geboten, sobald er im Rahmen seines Auftrages oder in dessen Vorbereitung Indizien für einen Insolvenzgrund erkennt. Auch wenn der Berater glaubt, der Mandant habe die gleichen Erkenntnisse, ist eine Hinweisdokumentation zu empfehlen, da eine spätere Behauptung des Mandanten in Unkenntnis gewesen zu sein, den Berater in Erklärungsnot bringen wird.

Das hinzuziehen eines Sanierungs-/ Insolvenzspezialisten ist sowohl für den Steuerberater als auch für den Mandanten von Vorteil und gibt beiden Seiten Sicherheit. Nur durch frühzeitiges Eingreifen bei ersten Krisenmerkmalen bieten sich optimale Sanierungsmöglichkeiten. Dies sollte auch immer offen kommuniziert werden.

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