Autoren: Thomas Uppenbrink & Klaus Konrad & Sebastian Frank
Wann ist eine Unternehmensbewertung nötig?
Im Zuge einer Sanierung oder der Durchführung von eigenverwalteten Insolvenzverfahren gemäß §§ 270 ff. InsO muss regelmäßig ein Gutachten zur Unternehmensbewertung erstellt werden. Diese Bewertung wird im Rahmen des Verfahrens zur Investorensuche benötigt (Dual-Track-Verfahren). Die Bewertung ist auch deshalb nötig, um im Rahmen des Verfahrens die nötige Vergleichsrechnung aufzustellen. In einigen Fällen wollen die Gläubiger bzw. der Gläubigerausschuss den Wert des Unternehmens wissen (Fairness Opinion).
Wertefindung für Nachfolgeregelung
Diese Erfahrungswerte aus Kaufpreisermittlung und tatsächlich erzieltem Kaufpreis sind auch für Unternehmen nützlich, die sich nicht in einer Krise befinden, aber verkauft oder im Zuge einer Nachfolgeregelung übertragen werden sollen. Insbesondere eine anstehende Nachfolgeregelung innerhalb des Familienkreises erfordert die Ausarbeitung eines neutralen Gutachtens zur Wertfindung.
Für die Kaufpreisermittlung ist eine realistische Bewertung nötig. Deshalb sollten die Ergebnisse verschiedener Verfahren kombiniert und ein Mittelwert erarbeitet werden, der dann noch mittels einer Cash-Flow-Analyse plausibilisiert wird.
Abweichende Wertvorstellungen
Der Wert eines Unternehmens bewegt sich erfahrungsgemäß oft zwischen dem Wunschdenken des Verkäufers und der überkritischen Vorstellung des potentiellen Käufers. Die Aufgabe eines neutralen Gutachters ist den realistischen Kaufpreis des Unternehmens zu ermitteln und in Form einer nachvollziehbaren Unternehmensbewertung zum Ausdruck zu bringen und den Parteien zu präsentieren.
Ganz gleich ob ein Unternehmensverkauf geplant ist, eine Investorensuche initiiert werden soll oder der Unternehmenswert aus sonstigen Gründen ermittelt werden soll – eine Unternehmensbewertung ist ein wichtiges Instrument, um fundierte Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.
Bei der Bewertung von Betrieben sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, so dass der Gutachter mit der richtigen Auswahl der passenden Bewertungsmethoden gefordert ist. In der Praxis haben sich einige Modelle der Unternehmensbewertung etabliert.
Überblick zu gängigen Bewertungsmethoden
Gesamtbewertungsverfahren
- Marktorientiert (Market Approach)
- Multiplikatoren aus vergangenen / vergleichbaren Transaktionen
- Multiplikatoren von vergleichbaren Unternehmen (Börsenkursen)
- Kapitalwertverfahren (Income Approach)
- Ertragswertverfahren
- Discounted-Cash-Flow-Verfahren
Einzelbewertungsverfahren
- Substanzwertverfahren
- Liquidationswertverfahren
Bewertungsverfahren nach § 199 BewG
Die drei grundlegenden Bewertungsmodelle im Vergleich
Gesamtbewertungsverfahren
Das Gesamtbewertungsverfahren bewertet das Unternehmen als gesamte Einheit, ohne die vorhandenen Vermögenswerte im Detail mit einzubeziehen. Diese werden nicht als eigener Wertansatz, sondern als notwendige Voraussetzung für das Bestehen des Betriebes und somit für den bestehenden Unternehmenswert angesehen.
Insbesondere bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen ist jedoch darauf zu achten, dass Abhängigkeiten vom Inhaber, von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen, von Lieferanten, von Kunden, von Konkurrenten und dem Leistungsangebot, wesentlichen Einfluss auf den Wert von inhabergeführten Unternehmen haben. Zudem fehlen häufig für kleine und mittelständische Betriebe aussagefähige Vergleichswerte von Transaktionen aus der Vergangenheit.
Hier gibt es wiederum verschiedene Ausprägungen, die auf eine unterschiedliche Gewichtung der vorliegenden Faktoren abzielen.
Einzelbewertungsverfahren
Die Einzelbewertungsverfahren unterteilen sich in Substanzwert- und Liquidationsverfahren. Der Substanzwert setzt sich zusammen aus der Differenz des betriebsnotwendigen Vermögens, den Verbindlichkeiten und Schulden des Unternehmens.
Dieses Verfahren eignet sich besonders in Fällen, in denen die vorhandenen Vermögenswerte die nach den anderen Bewertungsmethoden ermittelten Werte übersteigen, sprich in den Fällen, in denen wesentliche stille Reserven vorhanden sind.
Die Ermittlung des Liquidationswertes findet in der Regel dann Anwendung, wenn die Stilllegung des Betriebes bereits beschlossen wurde. Hier gilt es insbesondere zu beachten, dass ausreichend Liquidität vorhanden ist, um die zu erwartenden Auslaufkosten abzudecken, wie zum Beispiel Lohnkosten (Kündigungsfristen, evtl. Abfindungszahlungen), laufende Dauerschuldverhältnisse (Miete, Leasing, Darlehen, Versicherungen), Kosten für die Räumung von Bürogebäuden sowie Produktions- und Lagerhallen, Verwertungskosten für den Verkauf von Maschinen, Lagervorräten und Betriebseinrichtungen sowie Entsorgungskosten und Aufbewahrungskosten für Geschäftsunterlagen.
Bewertungsverfahren nach § 199 BewG
Das vereinfachte Bewertungsverfahren nach § 199 BewG verwendet den gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalisierungsfaktor 13,75, der die individuellen Einflussfaktoren des zu bewertenden Betriebes widerspiegeln soll. Dieser vereinfachte Ansatz wird allerdings von vielen Spezialisten überaus kritisch betrachtet und als zu einfach und unzureichend bewertet, was zu der Entwicklung der alternativen Wertansätze geführt hat.
Kombination aus speziellen Bewertungsmethoden führt zu realistischer Wertermittlung
Aus Erfahrungswerten im Zuge der Bewertung von (in der Eigenverwaltung befindlichen) Unternehmen haben sich verschiedene Gesamt- und Einzelbewertungsansätze mit unterschiedlicher Gewichtung entwickelt, aus deren Kombination und abschließender Glättung sich sehr realistische Werte ermitteln lassen.
Ertragswertverfahren
Speziell für die Bewertung von kleinen und mittleren Betrieben wurde der AWH-Standard entwickelt. Bei dieser Methode finden bei der Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes die individuellen Einflussfaktoren des Betriebes ausreichend Berücksichtigung. Zudem ist das Berechnungsschema auch für Personen, die sich nicht regelmäßig mit der Bewertung von Unternehmen beschäftigen, einleuchtend nachvollziehbar.
EBIT-Multiple-Verfahren
Bei Ermittlung des Unternehmenswertes im Zuge des EBIT-Multiple-Verfahrens wird der nachhaltig zu erwirtschaftende EBIT (Earnings Before Interest and Tax) mit branchenbezogenen Faktoren (Multiples) multipliziert. Das Ergebnis dieser Multiplikation stellt den Wert des Unternehmens dar.
Substanzwertverfahren
Das Substanzwertverfahren dient letztlich der Überprüfung der betrieblich notwendigen Vermögenswerte, die in Relation zu den Ergebnissen aus den beiden vorherigen Verfahren zusammengesetzt werden. Die Bewertung der Vermögensteile erfolgt unter Zugrundelegung der Fortführungswerte, die in einem gesonderten Gutachten nachvollziehbar dargestellt werden müssen.
Plausibilitätsprüfung
Die ermittelten Ergebnisse der Unternehmensbewertungen werden geglättet und fließen abschließend in die GuV-Planung der nächsten 5 Jahre ein, um festzustellen, ob der errechnete Kaufpreis vom Unternehmen ergebnis- und liquiditätstechnisch erwirtschaftet werden kann (indirekte Cash-Flow-Rechnung). Fällt dieses Ergebnis positiv aus, kann nach Erfahrung professioneller Gutachter von einem fairen Unternehmenswert ausgegangen werden.
Fazit
Die beschriebenen Verfahren und Ansätze klingen für einen Laien oftmals kaum nachvollziehbar. Dahinter versteckt sich aber vielschichtiges und tiefgreifendes Verständnis von Methoden, die zu einer realistischen Einschätzung des Unternehmens führen. Daher ist entsprechendes Know-how, besagte Methoden und Ansätze zu verstehen, nicht zu unterschätzen. Erst eine Kombination aus den verschiedenen Ansätzen kann zu einer realistischen Einschätzung führen. Andernfalls werden sich Verkäufer und Käufer auf die für sie individuell günstigste Methode zurückziehen und das Ergebnis verteidigen.
In Insolvenzverfahren (auch in Eigenverwaltung) werden beschriebene Verfahren eingesetzt.
Auch für nicht krisenbehaftete Betriebe können diese Bewertungen einen signifikanten Mehrwert haben, um konkret über die Zukunfts- und Nachfolgeplanung zu entscheiden.
Für konkrete bzw. mandatsbezogene Anfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.