Organhaftung für gar nicht oder nicht korrekt erbrachte Stammeinlagen bei Kapitalgesellschaften im Insolvenzfall

Autor: Thomas Uppenbrink

Regelmäßige Fehler bei der Erbringung von Bareinlagen

Regelmäßig liegen Fehler bei der Erbringung von Bareinlagen im Rahmen einer Gesellschaftsgründung oder einer später beschlossenen Kapitalerhöhung vor. Für Geschäftsführer und Gesellschafter besonders schwer zu verstehen sind diese Fehler dann, wenn sie im Rahmen eines Insolvenzverfahrens dazu führen, dass das gesamte Stammkapital nach Aufforderung des Insolvenzverwalters noch einmal eingezahlt werden muss.

Grundsätzlich gilt, dass die Einzahlung einer Stammeinlage erst dann wirksam ist, wenn die Einlage entsprechend bar oder per Überweisung nachweislich durch die Gesellschafter geleistet wurde und die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft über die dann erbrachte Einlage im Namen der Gesellschaft uneingeschränkt verfügen kann.

Schwierig ist die Einschätzung der wirksamen Einlage allerdings dann, wenn zunächst schon Zahlungen vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages geleistet wurden. Wenn hier auf ein bereits für die Vorgründungsgesellschaft bestehendes Konto eingezahlt wurde, ist diese Zahlung nur dann rechtskräftig, wenn der Betrag später vollumfänglich auf die zu gründende Gesellschaft übergeht.

Die Einlageleistung gilt als nicht erbracht und kann später im Zuge eines Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter erneut angefordert werden, wenn die Zahlung lediglich an die Vorgründungsgesellschaft und vor Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages der zu gründenden Gesellschaft erfolgte. In der Regel ist der Insolvenzverwalter dann für die Durchsetzung der Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter verantwortlich. Es droht das Szenario, dass dieser die Vorgründungsgesellschaft als eine Form der GbR ansieht, womit die Einzahlung der Einlage nicht wirksam für die Kapitalgesellschaft erfolgt ist, sodass für die Gesellschafter die Einlagepflicht wiederauflebt.

Eine „Cash-Pooling-Gestaltung“ ist immer mit Haftung bedroht

Die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft muss frei über die eingezahlte Einlage bzw. das Stammkapital frei verfügen können. Es ist haftungstechnisch sehr kritisch, wenn in diesem Zusammenhang Leistungen an Gesellschafter oder verbundene Unternehmen zurückgezahlt werden.

Das Ein- und Auszahlen von Beträgen durch bzw. an Gesellschafter ist in § 19 Abs. 5 GmbHG geregelt.

Der Gesetzgeber definiert hier, dass ein Gesellschafter bei einer vor Einlage vereinbarten Leistung an sich selbst oder an andere Gesellschafter, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage anzusehen ist, dann von einer Einlageverpflichtung befreit sein kann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewährsanspruch gedeckt ist. Dies wird im Falle einer Insolvenz durch die Insolvenzverwaltung sehr genau analysiert. Es ist also zwingend darüber nachzudenken, ob etwaige Vorleistungen sinnvoll, wichtig und nötig waren und ob nach Gründung der Gesellschaft diese direkt vom Kapital der Gesellschaft an die Gesellschafter bezahlt werden müssen.

Im Vorfeld sollte eine solche „Cash-Pool-Gestaltung“ also sehr genau überprüft werden. Entscheidend ist immer die Frage, ob der Rückgewährsanspruch auch wirklich besteht und einer rechtlichen Prüfung durch einen Insolvenzverwalter Stand halten wird. Hier sollte bei Zweifeln immer mit dem Steuerberater oder einem Wirtschaftsjuristen Rücksprache gehalten werden, ob die Einlageschuld ordnungsgemäß erfüllt werden kann – idealerweise bereits im Vorfeld.

Was sind verdeckte Sacheinlagen?

Im Wesentlichen geht es darum, dass das gesamte Stammkapital nach Gründung des Unternehmens dazu genutzt wird, um z. B. Maschinen und Anlagevermögen zu erwerben – zu verstehen anhand eines einfachen Beispiels:

Ein Gesellschafter schuldet der gegründeten Gesellschaft eine Bareinlage in Höhe von EUR 15.000,00 und leistet diese dann auch vertragsgemäß an die Gesellschaft. Danach verkauft er der Gesellschaft eine Maschine zum Preis von EUR 15.000,00. Die Gesellschaft zahlt dem Gesellschafter EUR 15.000,00 – also seine Einlage – zurück.

Der Zeitwert der Maschine beträgt aber lediglich EUR 10.000,00 (man hat hier noch Auf- und Abbau sowie Serviceleistungen mit eingepreist). Wirtschaftlich gesehen handelt es sich hier um eine Sacheinlage die zur Konsequenz hat, dass die Bareinlage unwirksam erbracht wurde.

In solchen Fällen wird die Bareinlage regelmäßig nochmals vom Insolvenzverwalter wieder eingefordert. Allerdings wird nach aktuell geltendem Recht der tatsächliche Wert der Maschine angerechnet, wodurch vom Gesellschafter lediglich die Differenz in Höhe von EUR 5.000,00 eingefordert werden kann. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt dabei nach § 19 Abs. 4 GmbHG regelmäßig der Gesellschafter.

Was ist die Existenzvernichtungshaftung?

Grundsätzlich gilt, dass bei der Existenzvernichtungshaftung ein vorsätzlicher, sittenwidriger Eingriff (vgl. § 826 BGB) dann angenommen wird, wenn ein Gesellschafter bzw. Geschäftsführer planmäßig der Gesellschaft Vermögen (Geld und/ oder Sachwerte) zum Schaden der Gesellschaft (und potentieller Gläubiger) und zum eigenen Vorteil entzieht. Ein Vorsatz wird dann unterstellt, wenn dem Gesellschafter zum Zeitpunkt seines Eingriffs klar ist, dass durch seine Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt bzw. gemindert wird. Die Existenzvernichtungshaftung ist eine reine Innenhaftung, das heißt der Anspruch daraus steht lediglich der Gesellschaft zu. Das bedeutet aber auch, dass eben genau hier der Insolvenzverwalter diese Forderung gegen die Gesellschafter bzw. Geschäftsführer sehr konsequent durchsetzt, um das Gesellschaftsvermögen bzw. die Insolvenzmasse zu mehren. Nicht vernachlässigen sollte man hier auch den strafrechtlichen Aspekt: Ein existenzvernichtendes Vorgehen kann durchaus einen Straftatbestand aus dem Bereich des Bankrotts (vgl. §§ 283 ff StGB) erfüllen.

Außerdem kann der Insolvenzverwalter uneingeschränkt auch Maschinen und Anlagevermögen zurückverlangen bzw. bei Unmöglichkeit der Rückgabe dann das Surrogat einfordern.

Gefährlich wird es auch, wenn z. B. die Frau eines Gesellschafters oder Geschäftsführers Werte aus dem Unternehmen zieht, in dem Bewusstsein, die Gesellschaft zu schädigen. Auch hier wird ein Insolvenzverwalter sehr genau prüfen, wer letztendlich zur Existenzvernichtungshaftung herangezogen wird (vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG). Auch hier ist die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung durchaus möglich.

Forderung des Insolvenzverwalters nach Belegen einer wirksamen Kapitaleinzahlung

Es ist deshalb unerlässlich für alle Gründer und auch für bereits bestehende Kapitalgesellschaften, dass der Einzahlungsbeleg – auch nach Ablauf der eigentlichen Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren – aufbewahrt wird. Am besten ist es, dass der entsprechende Kontoauszug den Gesellschaftsverträgen beigefügt wird. Der Insolvenzverwalter hat nach wie vor das Recht, den Nachweis der ordnungsgemäßen Einzahlung des Stammkapitals abzufordern, denn die Beweislast liegt auch hier wiederum beim Gesellschafter. Im Rahmen eines ordentlichen Ablaufs einer Gesellschaftsgründung wird mindestens ein beauftragter Anwalt (oder auch der Notar) darauf hinweisen, dass die Kapitaleinzahlung erst nach entsprechender Gründung der Kapitalgesellschaft auf das dann eingerichtete Geschäftskonto wirksam ist.

Alle vorherigen Aktivitäten belangen lediglich die Vorgründungsgesellschaft (GbR) und kommen damit auch in den Fokus der Prüfung des Insolvenzverwalters.

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