Übersicherung von Bankkrediten – eine gängige Praxis?

Autor: Thomas Uppenbrink

Wirtschaftliche Verschlechterung der Unternehmenssituation

Kommt ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt das begleitende Kreditinstitut bei Vorlage von betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Bilanzen in der Regel schnell zu der Vermutung, dass die Fähigkeit zur Zins- und Tilgungsleistung auf die Dauer nicht mehr gegeben ist. In einem solchen Fall können dann im Rahmen der Risikobewertung unter anderem auch Sicherheiten nachgefordert werden.

Dabei kommt es häufig vor, dass sich die Sichtweise auf die Werthaltigkeit einer Sicherheit zwischen dem Schuldner (Kreditnehmer) und dem Gläubiger (Kreditgeber) deutlich unterscheidet. Ist im Vorfeld oder im Rahmen einer Sanierung eine nachweisliche Übersicherung im Hinblick auf die Forderungen des Kreditinstituts entstanden, gibt es die Möglichkeit, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für den Schuldner zu handeln.

Nichtige Sicherungsübereignung wegen anfänglicher Übersicherung

Eine Sicherungsübereignung bzw. das dazugehörende Rechtsgeschäft ist wegen anfänglicher Übersicherung nach § 138 BGB nichtig, wenn bereits bei Abschluss des Vertrages feststeht, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung besteht. Weiterhin darf das Sicherungsgeschäft zum Zeitpunkt seines Abschlusses nach seinem – aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden – Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht mehr vereinbar sein.

Ursprüngliche Übersicherung

Ein probates Mittel zur Überprüfung der Kredite und der dazugehörigen Sicherheiten ist die Erstellung eines Kredit- und Sicherheitenspiegels. In diesem wird dargestellt, welche Kredite ausgereicht wurden und wie sich die dazugehörigen Sicherheiten zusammensetzen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Zweckerklärungen bei Bürgschaften und Grundschuldbestellung geprüft und in den Sicherheitenspiegel den entsprechenden Krediten zugeordnet werden. So können z. B. auch Doppelungen oder sogenannte stille Sicherheiten identifiziert werden.

Stille Sicherheiten sind in der Regel Sicherungsabreden mit den Kreditinstituten, deren Sicherungszweck möglicherweise abgelaufen ist (Kredittilgung) oder ursprüngliche Kreditierungen (Kontokorrent) betreffen, die ungenutzt und/ oder aber auch nicht mehr vorhanden sind. Diese Sicherheiten stehen in der Regel laut AGB der Banken dem Finanzierungsinstitut ohne weitere Sicherungszweckerklärung als Deckung für alle bekannten Darlehen des Kreditnehmers zur Verfügung.

Rechtliche Behandlung einer vorliegenden Übersicherung

In der herrschenden Literatur ist viel zur ursprünglichen Übersicherung zu finden, jedoch ist es sehr schwierig, den Banken diesen Tatbestand retroperspektiv nachzuweisen. Gern ziehen sich die Finanzierungsinstitute auch immer auf ihre AGB zurück und verweisen auf das Recht zur eigenen Einschätzung der Werthaltigkeit der Sicherheiten.

Ein Beispiel für die Schwierigkeit des Nachweises einer ursprünglichen Übersicherung ist z. B. die Feststellung der Werthaltigkeit eines Warenlagers. Fälschlicherweise wird bei einem hohen Lagerbestand zum aktuellen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass damit eine in der Vergangenheit gemachte Sicherungsübereignung schon eine ursprüngliche Übersicherung sei.

Abwartende Positionen der Bank hinsichtlich der Werthaltigkeit

Banken und Sparkassen werden sich im Falle einer Auseinandersetzung mit dem Schuldner in der Regel zunächst immer auf eine abwartende Position hinsichtlich der Werthaltigkeit der Sicherheiten zurückziehen. Es ist deshalb ratsam, dass die Bewertung von Sicherheiten – selbst wenn plausibel dargestellt werden kann, dass es sich um eine ursprüngliche Übersicherung handelt – nur im vorsichtigen Dialog mit den Banken und Sparkassen thematisiert wird.

Nachträgliche Übersicherung

Auch die nachträgliche Übersicherung ist innerhalb der Prüfung von freien Sicherheiten sehr schwierig zu belegen, da die Finanzierungsinstitute immer argumentieren werden, dass sich eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage abzeichnet und schon vorhandene Sicherheiten nach Darstellung der Banken und Sparkassen eben nicht mehr ausreichen, im Rahmen eines Kreditausfalls eine Befriedigung der gesamten Verbindlichkeiten zu erlangen.

Hereinnahmen von Sicherheiten ohne tatsächliche Feststellung

So werden Globalzessionen (Forderungsabtretungen), Sicherungsübereignungen von Maschinen- und Anlagevermögen und/ oder Warenlager sowie Sicherungsübereignungen von immateriellen Wirtschaftsgütern (Marken- und Schutzrechte, Patente und andere Anwartschaften) von den Finanzierungsinstituten gern integriert, jedoch werden die Werte in den meisten Fällen künstlich oder aber auch durch Unwissen unter Umständen deutlich unter Wert angesetzt.

Die Finanzierungsinstitute argumentieren in der Regel damit, dass diese Werte sich als Bilanzpositionen sehr kreativ gestalten lassen und in den meisten Fällen durch die Geschäftsführung in ihren Bilanzen überbewertet werden. Um überhaupt eine nachträgliche Übersicherung als Diskussionsgrundlage z. B. für die Auswertung einer Linie im Krisenfall zu erhalten, empfiehlt es sich unabhängige Sachverständige mit der Bewertung von Maschinen- und Anlagevermögen etc. zu beauftragen. Dienstleister, die Bewertungen und Verwertungen anbieten, werden regelmäßig Gutachten zu Fortführungs- und Zerschlagungswerten erstellen.

Ermessensunabhängiger Freigabeanspruch des Sicherungsgebers

Der Sicherungsgeber hat bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen im Falle nachträglicher Übersicherung einen ermessungsunabhängigen Freigabeanspruch; auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine oder eine ermessenabhängig ausgestaltete Freigabeklausel erhält.

Bei formularmäßig bestellten, revolvierenden Globalsicherungen sind weder eine ausdrückliche Deckungsgrenze noch eine Klausel für die Bewertung der Sicherungsgegenstände entsprechende Wirksamkeitsvoraussetzungen.

Enthält die formularmäßige Bestellung revolvierender Globalsicherungen keine ausdrückliche oder eine unangemessene Deckungsgrenze, so beträgt diese Grenze (unter Berücksichtigung der Kosten für Verwaltung und Verwertung der Sicherheiten) bezogen auf den realistischen Wert der Sicherungsgegenstände 110 % der gesicherten Forderung. Dabei liegt die Schwierigkeit wie beschrieben immer in der wechselseitigen Betrachtung der Werthaltigkeit einzelner Sicherheiten.

Deshalb gilt auch, dass sich allgemeingültige Maßstäbe für die Bewertung der Sicherungsgegenstände bei Eintritt des Sicherungsfalls im Voraus weder bei der Sicherungsübereignung noch bei einer Globalabtretung festlegen lassen. Hier entscheiden allein die Durchschnittswerte einer Branche, die in den meisten Fällen bei Banken und Sparkassen als Daten zur Entscheidungsfindung verfügbar sind.

Grenze für Freigabeanspruch liegt bei 150 % des Schätzwerts

Die grundsätzliche Problematik liegt darin, dass die Grenze für das Entstehen eines Freigabeanspruchs für Sicherungsgüter bei regelmäßig 150 % des Schätzwerts (vgl. § 237 BGB) liegen.

Wesentlich für eine daraus drohende Insolvenzproblematik ist die Tatsache, dass ein Kreditinstitut durch Übersicherung die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit eines Kreditnehmers deutlich einschränkt bzw. gänzlich zum Erliegen bringen kann. Hier würde nämlich die Situation eintreten, dass der Sicherungsgeber in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit derart eingeschränkt wird, dass er seine freie Selbstbestimmung verliert und eine sogenannte Knebelung vorliegt.

Durch Kredittäuschung oder Insolvenzverschleppung entsteht ebenfalls eine Gefährdung der übrigen ungesicherten Gläubiger.

Im Wege einer Sanierung muss also geprüft werden, ob die getätigten Sicherungsübereignungen an Banken und Sparkassen oder sonstige Gläubiger gegebenenfalls nichtig sind.

Die Übergabe von Sicherheiten

Aufgrund von Besitzkonstitutionen erfolgt durch Übergabeersatz die Übergabe nach §§ 929, 930 BGB. Die Sicherheitsübereignung noch zu erwerbender beweglicher Sachen, wie z. B. Warenlager mit unterschiedlichen und wechselnden Warenbeständen, erfolgt aufgrund einer Vereinbarung eines antizipierten Besitzkonstituts, das sich auf die künftige, in das Warenlager eingebrachten Sachen, Waren und Bestände bezieht. Der von den Parteien abgeschlossene Sicherungsvertrag stellt dabei grundsätzlich ein Besitzmittlungsverhältnis dar.

Berechtigung

Dabei handelt es sich zunächst grundsätzlich um einen gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB. Das Anwartschaftsrecht zur Sicherung wird bei der Sicherungsübereignung einer vom Sicherungsgeber unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sache übertragen. Wird insbesondere durch gesetzliche Pfandrechte belastetes Sicherungsgut durch den Sicherungsgeber übereignet, so geht mit dem Eigentum die Belastung auf den Sicherungsnehmer über.

Der Vorrang eines bestehenden Vermieterpfandrechts gem. § 62 BGB bleibt bestehen, das sich auch auf die Waren und die Anlagen, die erst nach der Sicherungsübereignung dem Warenlager bzw. dem Anlagevermögen zugeführt worden sind, erstreckt.

Sollte eine Verpfändung des Warenlagers innerhalb einer Sanierung durchgeführt werden, so empfiehlt es sich, am Verpfändungstage eine entsprechende körperliche Inventur durchzuführen, damit hier die Zuordnung zu den verschiedenen Sicherungsgläubigern sauber erfolgen kann.

Verwertungsvoraussetzungen

Durch die Fälligkeit der gesicherten Forderung tritt die Verwertungsreife ein. Sie berechtigt den Sicherungsnehmer von dem Sicherungsgeber Herausgabe des Sicherungsguts zu verlangen.

Eine verbotene Eigenmacht durch den Sicherungsnehmer ist dann vorhanden, wenn die Wegnahme des Sicherungsguts gegen den erklärten Willen des Sicherungsgebers durchgeführt wird, auch wenn das Wegnahmerecht in dem Sicherungsvertrag ausdrücklich vereinbart ist und auch ein Herausgabeanspruch besteht.

Nur und ausschließlich durch ein Urteil auch Herausgabe oder einen vollstreckbaren Titel kann der Sicherungsnehmer gegen den Willen des Sicherungsgebers die Herausgabe erwirken. Die Sicherung der Herausgabevollstreckung kann im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgen.

Verwertung

Die Verwertung des Sicherungsguts erfolgt in der Regel im Wege des freihändigen Verkaufs oder der Versteigerung. Der Sicherungsnehmer kann sich in beiden Fällen sogar sachverständiger Dritter bedienen. Die daraus entstehenden Kosten werden üblicherweise aus der Veräußerung des Sicherungsguts gedeckt.

Bei Immobilien und Grundstücksversteigerungen fallen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Maklergebühren an. Bei der Verwertung von Maschinen- und Anlagevermögen sowie Warenbeständen wird im Regelfall eine Provision von 15 % aus dem Verwertungserlös erhoben. Bei Versteigerungen wird in der Regel ebenfalls eine Provision von etwa 15 % als Aufgeld bezahlt.

Nach den AGB der Banken bestehen das Verbot übermäßiger Schädigung und das Prinzip des milderen Mittels, wonach der Sicherungsnehmer die Pflicht zur Wahrung des Kundeninteresses und dessen schützenswerter Belange hat. Sollte im Zuge einer Sanierung mit Genehmigung der Sicherungsgläubigerin eine Teilverwertung von nicht betriebsbedingtem Anlagevermögen oder Warenbeständen erfolgen, so führt dies in der Regel zu einem Mehrerlös, wenn professionelle Sanierungsberater und Verwertungsgesellschaften beauftragt werden. Umsatzsteuerliche Belastungen sind in jedem Falle zu beachten; eine Verwertung erfolgt immer unter Einbezug der Umsatzsteuer, die vom Verwertungserlös zu separieren und später nach Ausrechnung der Zahllast abzuführen ist.

Die Finanzierungsinstitute haben bei der Vorlage mehrerer Sicherheiten das Wahlrecht der Verwertung. Erst nach Androhung und Ablauf einer angemessenen Wartefrist darf die Verwertung erfolgen.

Auswirkungen einer Insolvenz

Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers eröffnet, so steht dem Sicherungsnehmer ein Absonderungsrecht nach §§ 50 ff. InsO zu. Da der Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht innehält, erfolgt die Verwertung nach §§ 166 ff. InsO.

Fazit

Ein Kredit- und Sicherheitenspiegel sollte nicht erst bei Krisenfall aufgestellt werden. Schon im Rahmen des laufenden Betriebs sollten Sicherheiten im Wege der Darlehensgestaltung berücksichtigt und beachtet werden.

Bei mittelständischen Unternehmen ist dabei häufig die Unterstützung der steuerberatenden Berufe nötig, eine entsprechende und inhaltlich richtige Aufstellung der diversen Kredit und Sicherheiten mit zu gestalten, ggfs. zu prüfen oder auch Alternativen für die Bankenverhandlungen vorzuschlagen.

Sollte dieser Bereich von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern nicht abgebildet werden können, dann ist die Erstellung eines Kredit- und Sicherheitenspiegels durch Sanierungsberater empfehlenswert.

Denn sind bei Kreditentscheidungen Sicherheiten ohne entsprechende Zweckerklärung verloren gegangen, besteht gerade im Sanierungsfall die Schwierigkeit, hier Zugeständnisse der Finanzinstitute bei benötigten Erhöhungen der Kredite ohne zusätzliche Sicherheiten zu erhalten.

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