Aufdeckung krimineller Handlungen bei Sanierung und Eigenverwaltung

Autor: Thomas Uppenbrink

Egal ob als Berater im außergerichtlichen Sanierungsmanagement, als eingesetzter Interimsmanager bei Krisenmandaten oder als Sonderbevollmächtigter der Geschäftsführung in eigenverwalteten Insolvenzverfahren ist es zum Zweck des Selbstschutzes essenziell wichtig zu prüfen, ob in der jüngsten Vergangenheit des Unternehmens kriminelle Handlungen durch die Geschäftsleitung erfolgt sind. In der Regel sind es nicht mal Handlungen, um sich persönliche Vorteile zu verschaffen, sondern es sind meist verzweifelte oder unbedachte Handlungen, die dem Unternehmenserhalt dienen sollten.

Trotz allem Verständnis für die moralische Haltung der Geschäftsleitung z. B. Lohnnebenkosten oder Steuern nicht (vollumfänglich) zu zahlen, um die Nettolöhne zu 100 % zu bedienen, muss immer davon ausgegangen werden, dass es sich rein rechtlich eben um kriminelle Handlungen handelt, die nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu rechtskräftigen Verurteilungen führen können. So sind das Schieben von Lieferantenrechnungen, das Herabsetzen von Steuervorauszahlung (trotz nachweislicher Steuerlast), die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, das Schreiben von Scheinrechnungen zur Verbesserung vom Umsatz oder ähnliche Bemühungen der Geschäftsführung eben höchst brisant.

Berater müssen der Geschäftsführung hier das Bewusstsein schärfen

Erfahrene Sanierer wissen, dass solche bewussten oder unbewussten Handlungen von Inhabern, geschäftsführenden Gesellschaftern oder leitenden Angestellten bei krisenbehafteten Unternehmen regelmäßig vorkommen. Es ist nicht die Aufgabe eines Sanierungsberaters, direkt nach solchen Aktivitäten zu suchen, jedoch sollten zum Selbstschutz stichprobenartig die Buchhaltung und die betriebswirtschaftlichen Unterlagen und Auswertungen auf eben solche besonderen Vorkommnisse hin geprüft werden. Monatsmeldungen zur Sozialversicherung, Anmeldung der Umsatzsteuer und Lohnsteuer und deren Zahlungspflichten sind ebenso zu prüfen wie Absprachen der Unternehmensleitung mit Lieferanten hinsichtlich Stundung oder Ratenzahlungsvereinbarung.

Was ist, wenn sich Verdachtsfälle erhärten?

Die genaue Vorgehensweise ist selbstverständlich immer vom Einzelfall abhängig.

Zum einen ist zunächst sicherlich das Ausmaß der kriminellen Handlung zu erfassen. Dann sollte geprüft werden, wer wann geschädigt wurde und ob es die Möglichkeit gibt, das Fehlverhalten zu korrigieren. Grundsätzlich ist bei der Feststellung von kriminellen Handlungen aber ein strafrechtserfahrener Jurist hinzuzuziehen, damit alle rechtlichen Möglichkeiten entsprechend geprüft werden können.

Denn die Genugtuung der Überführung eines Wirtschaftsstraftäters im Rahmen einer Sanierung oder Eigenverwaltung ist meist von kurzer Dauer, da selbst bei einem gerechten Strafurteil dies keinerlei Wirkung auf die Restrukturierung des Unternehmens haben wird, sondern in der Regel weitreichende Folgeprobleme nach sich ziehen wird.

Strafverfolgungsbehörde arbeitet abstrakt

Leider arbeiten die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen einer Sanierung oder Restrukturierung eben nicht mit Fingerspitzengefühl und können dann durch zum Teil aufwendige Ermittlungsarbeiten aus einer Sanierung oder einem eigenverwalteten Insolvenzverfahren am Ende ein Regelverfahren mit Abwicklung machen.

Zweigeteilte kriminelle Handlung

Im Rahmen von Sanierung und eigenverwalteten Insolvenzverfahren haben die eingesetzten Spezialisten in der Regel mit zwei Arten von kriminellen Handlungen zu tun:

Zum einen die kriminellen Handlungen, die zum Unternehmenserhalt beitragen sollten und zum anderen Handlungen zum Verschaffen eigenen Vorteils.

Auch das Veräußern von freiem Anlagevermögen bei einem insolvenzreifen Unternehmen birgt nicht nur die Gefahr der Anfechtung des späteren Insolvenzverwalters, sondern führt möglicherweise auch dazu, dass im Rahmen des Berichts des Verwalters auch hier die Staatsanwaltschaft die Handlung im Rahmen der Betrachtung eines sogenannten Bankrottdelikts überprüft.

Auch die Belegschaft ist in der Unternehmenskrise nicht immer loyal

Leider ist häufig festzustellen, dass die Belegschaft im Rahmen von Sanierung und Restrukturierung zum Teil kleineres und bewegliches Betriebsvermögen stiehlt. Diese Handlungen werden in der Regel damit begründet, dass man ja sein Leben lang für das Unternehmen tätig gewesen sei und nun seinen Arbeitsplatz verliert. Sozusagen wird der Diebstahl als Wiedergutmachung gesehen.

Losgelöst davon, dass eine bestimmte gesellschaftlich anerkannte Kriminalität auch bei Arbeitnehmern vorliegen kann, indem sie z. B. bestimmte Gebrauchsartikel aus dem Unternehmen für ihr Privatleben entnehmen, nimmt der Diebstahl von Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Werkzeugen und Kleinmaschinen bei Unternehmen in der Krise zum Teil erschreckende Ausmaße an.

Ein Irrglaube – der Betrieb ist etwas schuldig

Die kriminell handelnden Mitarbeiter glauben, dass das Unternehmen ihnen aufgrund der jahrelangen Zugehörigkeit etwas schuldig sei. Da sie glauben, dass das krisenbehaftete Unternehmen nunmehr seine Schuldigkeit bei ihnen nicht mehr abtragen kann, nehmen sie sich einfach adäquate Werte in Form von Werkzeugen oder anderen Wirtschaftsgütern im Rahmen von Diebstahl aus dem Unternehmen.

Auch Betriebsvermögen wird mitgenommen, das tatsächlich nicht dem freien Anlagevermögen des Unternehmens zugehörig ist, sondern ggfs. sicherungsübereignet oder geleast ist. Die Leasinggesellschaft wird später im Rahmen von Aus- und Absonderung ihre Eigentumsrechte geltend machen und feststellen, dass die Maschine körperlich nicht mehr vorhanden ist. Damit tritt dann im schlimmsten Fall sogar die persönliche Haftung des Geschäftsführers ein, der bei Nichtzahlung auch noch mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Diebstahls bzw. Betruges rechnen muss.

Belegschaftsinitiativen oder Management-Buy-outs sind zu beobachten

Ist die Belegschaft ausführlich informiert über die Tragweite der Unternehmenskrise, wird neben der Abwerbungsversuche der Mitbewerber auch der ein oder andere Mitarbeiter über eine eigene Selbstständigkeit nachdenken. Das führt dazu, dass die Beschaffung von Daten in jeglicher Art und Form forciert wird. Das Kopieren von Kundendaten, Lieferantendaten sowie Preiskalkulationen sind dann ein normaler Vorgang.

Deshalb sind Sanierungsberater und Interimsmanager gut beraten, so schnell wie möglich dafür zu sorgen, dass Sicherungsinstrumente in die EDV eingebaut werden, die einen Kopiervorgang ohne Rückfrage nicht mehr zulassen.

Der Zusammenschluss von bestimmten Mitarbeitern einer Abteilung, um später dann unternehmerisch in der gleichen Branche tätig zu sein, ist auch keine Seltenheit. Auch hier ist zu beobachten (wenn es nicht schon vorher von langer Hand vorbereitet war), dass eben versucht wird, sämtliche Daten und Informationen zu beschaffen, damit die eigene Selbstständigkeit dann auf Basis dieses Datendiebstahls beginnen kann.

Offene Kommunikationspolitik und Hinweis auf Ermittlungen

Zu Beginn einer Sanierung oder Eigenverwaltung sind Betriebsversammlungen üblich. Hier ist es die Aufgabe der eingesetzten Spezialisten direkt darüber zu informieren, dass Fehlverhalten der Belegschaft auffallen und nicht toleriert wird. In der Regel wird ein Sanierungsberater die Belegschaft bitten, etwaiges Fehlverhalten untereinander  zu melden, sodass dann Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.

Arbeitnehmer, die sich weder Selbstständig machen können, noch eine Chance haben auf dem späteren Arbeitsmarkt eine Anstellung in gleichartiger Form zu erhalten, werden aus Eigeninteresse im Rahmen eines Arbeitsplatzerhalts das kriminelle Verhalten Ihrer Kollegen häufig melden.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass das Sanierungsteam eben sofort nach Übernahme der Arbeit eine Belegschaftsversammlung einberuft und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erklärt, dass das Unternehmen nur erhalten bleiben kann, wenn sich alle Beteiligten mit nötigem Engagement einbringen.

Im Rahmen dieser Betriebsversammlung ist dann auch auf die Konsequenz eines Diebstahls hinzuweisen. Neben arbeitsrechtlichen Maßnahmen muss ein erwiesener Diebstahlt auch zur Anzeige gebracht werden. Dies wird die Belegschaft nicht grundsätzlich am Diebstahl abhalten, doch wird damit sicherlich eine gewisse Abschreckung erfolgen.

Auch höhere Angestellte und die Geschäftsleitung sind zu überprüfen

Die Mitnahmementalität erstreckt sich natürlich auch auf höhere Angestellte und selbst auf die Geschäftsleitung. So ist es nicht unüblich, dass z.B. Mitarbeiter, die über ein Firmenfahrzeug verfügen, in der Krisensituation die Fahrzeuge der gesamten Familie privat betanken. Auch Unfallschäden, die im privaten Bereich passiert sind, können eben nicht auf Kosten des Unternehmens in der Werkstatt repariert werden.

Hier müssen dem Management und der Geschäftsleitung ganz klare Hinweise gegeben werden, dass diese häufig üblichen Handlungen nicht mehr hingenommen werden können.

Auch Übernachtungen auf Firmenkosten oder Spesenabrechnungen sind auf Plausibilität zu prüfen.

Betrug, Untreue und Verschleierung zum Unternehmenserhalt

Vielfach finden Sanierungsberater Hinweise, die auf Betrug, Untreue oder Verschleierung hinweisen, da Unternehmer oder Geschäftsführung alles versucht haben, die Krise des Unternehmens abzuwenden.

Klassische Delikte, wie zum Beispiel die Umsatzsteuervoranmeldung zu kürzen, um die Zahllast zu mindern, sind hier zu benennen.

Im Rahmen von Optimierungen der betriebswirtschaftlichen Auswertungen werden zum Teil Rechnungen von Lieferanten nicht eingebucht bzw. wird darum gebeten, dass die Lieferanten ihre Rechnungen erst einen Monat später stellen. Hier müssen professionelle Sanierer sehr schnell erkennen, dass die Geschäftsleitung im Rahmen einer Unternehmenssanierung versucht, insolvenzspezifische Fakten beiseite zu schieben bzw. mit allen Mitteln zu vertuschen.

Auch die Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge ist häufig ein Problem, da gerade die versäumte Zahlung der Arbeitnehmeranteile einen Untreuetatbestand darstellt.

Vermögensverschiebung als Bankrottdelikt

Ein beliebtes Delikt ist weiter, Anlagevermögen zu auffällig geringen Preisen an Dritte (auch Familienangehörige) zu veräußern.

Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Insolvenzverwaltung oder aber auch der Sachwaltung bei eigenverwalteten Insolvenzverfahren Abgängen bei Anlagevermögen vor Insolvenzantrag nachträglich zu prüfen und ggfs. anzufechten oder das entsprechende Surrogat einzufordern.

Kreditbetrug und Vortäuschung falscher Tatsachen

Sparkassen und Banken haben das Recht, jederzeit die betriebswirtschaftlichen Unterlagen eines Unternehmens anzufordern. Dieses Recht definiert sich aus unterschriebenen Kreditverträgen in Verbindung mit den Banken-AGB.

Grade in der Krise eines Unternehmens sind Kreditinstitute verpflichtet, ihr Ausfallrisiko sehr genau einzuschätzen und möglicherweise Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diese Maßnahmen wiederum verschlechtern zum Teil die Unternehmenssituation nochmals erheblich.

Damit nimmt der Druck auf die Unternehmer und Geschäftsführer zu, z. B. betriebswirtschaftliche Auswertungen, Quartalsabschlüsse oder auch Jahresabschlüsse mit mindestens einer schwarzen Null dem Finanzierungsinstitut vorzulegen, um nicht in der Sanierungsabteilung zu landen. Dieser Duck führ dazu, dass schon in der Buchhaltung Manipulation begangen wird, damit dem Finanzinstitut dann das gewünschte Ergebnis vorgelegt werden kann.

Es ist aber damit zu rechnen, dass wenn es zu einer Insolvenz kommt, die Finanzierungsinstitute ebenfalls sehr genau alle Unterlagen nochmals prüfen; sollte dann der Eindruck entstehen, dass manipulierte wirtschaftliche Unterlagen eingereicht wurden, wird der Sachverhalt ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft anhängig gemacht.

Die Vorlage von falschen oder gar gefälschten betriebswirtschaftlichen Unterlagen ist als Vortäuschung falscher Tatsachen und als (Kredit-)Betrug zu sehen und wird auf jeden Fall im Rahmen einer strafrechtlichen Betrachtung relevant für die Geschäftsleitung.

Angst vor Unternehmensverlust führt zu strafrechtlichen Handlungen

Nicht nur die Angst, das Unternehmen zu verlieren, verleitet Geschäftsführer und Gesellschafter zu strafrechtlichen Handlungen, sondern auch die (berechtigte) Angst, privat dann z. B. durch die Banken im Rahmen von Bürgschaften in Anspruch genommen zu werden.

Kreditinstitute sind tatsächlich im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorgaben bei sich verschlechternder wirtschaftlicher Lage des Unternehmens verpflichtet, Sicherheiten nachzufordern oder Linien zu verkürzen oder im schlechtesten Fall sogar zu kündigen.

Fazit

Auch die Mitglieder der wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufe sind aufgefordert, Unregelmäßigkeiten im Belegwesen, verdächtige Veränderungen von wesentlichen Daten im Bereich Lagerbestände, halbfertige Arbeiten und Forderungshöhen regelmäßig zu prüfen.

Im Wege von Insolvenzverfahren wird immer die Frage folgen, ob sich der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aktiv bei einem vorliegenden Fehlverhalten der Geschäftsführung zumindest als Mittäter eingebracht hat.

Die Mittel und Möglichkeiten von Sach- und Insolvenzverwaltern sind heute mannigfaltig. Es gibt Techniken und spezielle Software, die eben kriminelle Handlungen im Unternehmen relativ schnell erkennbar machen.

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