Die Bedeutung der handelsrechtlichen Fortführungsprognose

Autor: Thomas Uppenbrink

Im Rahmen des sogenannten Going-Concern-Prinzips gemäß § 252 Abs. 1 S. 1 HGB wird regelmäßig vermutet, dass eine Unternehmensfortführung möglich ist, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Das Unternehmen erzielt nachhaltige Gewinne,
  • Das Unternehmen ist zahlungsfähig,
  • Es liegt keine bilanzielle Überschuldung vor,
  • Die Fortführung des Unternehmens ist beabsichtigt.

Sollte mindestens einer dieser Punkte nicht zutreffen, so ist die Fortführungsfähigkeit zumindest gefährdet und eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erstellen.

Die handelsrechtliche Fortführungsprognose gemäß § 252 Abs. 1 S. 1 HGB ist positiv, wenn in den betrachteten kommenden 12 Monaten eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung per vorsichtiger Planung ausgeschlossen werden kann bzw. diese im Rahmen der Fortführungsprognose durch Auflagen gegenüber der Geschäftsführung des Unternehmens geheilt werden kann.

Fällt die Fortführungsprognose hingegen negativ aus und die Ursachen bzw. Wirkungen können nicht durch Sanierungsmaßnahmen relativiert werde, ist eine insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung durchzuführen und die Geschäftsleitung ist möglicherweise gezwungen, im Rahmen der gesetzlichen Vorlagen einen Insolvenzantrag zu stellen.

Eine negative Fortführungsprognose kann auch ausschlaggebend für die Einleitung einer Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO sein. Die Eigenverwaltung ist mittlerweile ein sehr geeignetes und etabliertes Werkzeug, ein drohend zahlungsunfähiges oder überschuldetes Unternehmen durch ein Insolvenzverfahren in Eigenregie nachhaltig zu sanieren, wenn die Eigenverwaltung entsprechend durch qualifizierte und erfahrene Experten begleitet wird.

Kreditinstitute fordern Nachweis der Wirtschaftlichkeit

Kreditinstitute fordern neben den klassischen Sanierungskonzepten gemäß IDW-Standard S 6 eben auch verkürzte Sanierungsgutachten in Form von handelsrechtlichen Fortführungsprognosen.

Kreditinstitute versprechen sich davon den Nachweis, dass das betroffene Unternehmen in der Zukunft Gewinne erzielt und in der Lage ist, Zins und Tilgung auf bereits bestehende Kredite zu leisten bzw. dass die zukünftige Zahlungsfähigkeit so plausibel dokumentiert wird, um positiv über die Beantragung neuer Überbrückungskredite zu entscheiden.

Werden Fortführungsprognosen von Kreditinstituten angefordert, kommen meist auch gleichzeitig Forderungen bzw. Beschwerungen hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit unter Beibehaltung aktueller Kreditlinien hinzu.

Autorinnen und Autoren einer Fortführungsprognose sollten daher mittelbar im Rahmen eines Fazits innerhalb der Fortführungsprognose darauf hinweisen, welche möglichen Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit ggfs. kurz- bis mittelfristig umzusetzen sind.

Oft müssen Maßnahmen parallel umgesetzt werden

Gerade bei akut krisenbehafteten Unternehmen ist zu erkennen, dass sowohl Sanierungskonzepte als auch Fortführungsprognosen eben dann nichts mehr wert sind, wenn dringend umzusetzende Sanierungsmaßnahmen ignoriert oder aufgeschoben werden. Auch ist darauf hinzuweisen, dass bei längerfristigen Planungen geprüft wurde, ob eine Plausibilität der Grundlagen gegeben ist. Es sollte in der Erläuterung zur Planung ebenfalls fixiert sein was passiert, wenn sich die Entwicklungen im Rahmen der Fortführungsprognose nicht entsprechend der Planung einstellen und welche Konsequenzen daraus unmittelbar zu ziehen sind.

Fortführungsprognose als Nachweis der mittelfristigen Zahlungsfähigkeit

Handelsrechtliche Fortführungsprognosen dienen als Nachweis einer mittelfristigen Zahlungsfähigkeit. Sie dienen dadurch weiter als Sicherheitspapier für die fortlaufende Betreuung durch die Kreditwirtschaft.

Mittlerweile fordern aber auch Kreditversicherer bei großen Engagements eine solche Fortführungsprognose, wenn sich das Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage befindet, erst recht wenn sich das Engagement des Kreditversicherers über mehrere Lieferanten verteilt und eine gewisse Größenordnung erreicht hat.

Kreditversicherer, Zentralregulierer und Factoring-Gesellschaften fordern dann ebenfalls von der Geschäftsführung eines Unternehmens den Nachweis, dass trotz akuter Krisensituation eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Gesellschaften haben zum Teil eine Liste mit kooperierenden Spezialisten, die dann für eine Erstellung einer Fortführungsprognose empfohlen werden können. Eine solche Empfehlung muss von der Geschäftsführung nicht angenommen werden; hat der vorgeschlagene Spezialist aber eine gewisse Reputation bezüglich der Erstellung von Fortführungsprognosen, sollte die Beauftragung eines anderen Dienstleisters, der möglicherweise keine oder wenig Erfahrung hat, genau abgewägt werden.

Grundsätzlich ist die Erstellung einer handelsrechtlichen Fortführungsprognose aber immer durch einen neutralen Dritten zu erstellen. Man muss hier ausdrücklich eine Nähe zur Geschäftsführung vermeiden, um einen neutralen und realistischen Ausblick zu erhalten.

Alle Mandatsempfänger, die eine nahestehende Stellung zum betroffenen Unternehmen einnehmen, sollten hier unbedingt prüfen, wie weit sie ihre Neutralitätspflicht einhalten können, ohne spätere Irritationen zu vermeiden. Steuerberaterinnen und Steuerberater, die ein Dauermandat vom krisenbehafteten Unternehmen haben, müssen sich fragen, ob sie sich selbst für neutral genug halten und ob sie aufgrund dieser Neutralität später gegebenenfalls die erstellte Fortführungsprognose auch verteildigen möchten. Es macht hier meist Sinn, die Bearbeitung abzugeben und sich auf die Beratung der Geschäftsführung zu konzentrieren. Der Verdacht einer Gefälligkeitsprognose ist in solchen Konstellationen oftmals nur schwer zu vermeiden.

Haftungsrisiken sind zu beachten

Wird dennoch ein Auftrag zur Erstellung einer Fortführungsprognose angenommen, muss auch eine objektive Betrachtung gewahrt werden. Bei mangelnden Voraussetzungen für eine positive Fortführungsprognose muss auch eine klare negative Bescheinigung ausgestellt werden.

Da eine solche Erstellung regelmäßig Haftungsrisiken birgt, sind die Aufgaben innerhalb eines Vertrages klar zu definieren und die laufenden Arbeiten sauber zu dokumentieren. Es ist im Übrigen durchaus sinnvoll, bei der Erstellung einer handelsrechtlichen Fortführungsprognosen, die einen größeren Umfang bzw. eine hohe Schadenhaftungssumme haben, im Vorfeld Haftungsbegrenzungen zu vereinbaren und ggfs. eine separate Mitteilung an die Versicherung zu geben.

Fortführungsprognosen sind Entscheidungsgrundlagen

Am Ende müssen sich die Mitglieder der steuerberatenden Berufe oder die sonstigen Dienstleister, die einen solchen Auftrag entgegennehmen auch immer wieder bewusst machen, dass auf ihrer Arbeit in der Regel folgenreiche Kreditentscheidungen fußen und in der Folge bei späterer Insolvenz hohe Schadenersatzforderungen drohen.

Falls eine Fortführungsprognose nicht mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und ggfs. den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensplanung sowie den Anforderungen von Sanierungskonzepten übereinstimmt, wird die Insolvenzverwaltung ihre Quotenschadenforderung gegen die Geschäftsführung bzw. (bei Abtretung) gegen die Autorinnen und Autoren der offenbar zu optimistisch erstellten Fortführungsprognose richten.

Schlechte oder gar keine Recherche, die unkritische Annahmen von auffälligen Entwicklungen und Hinnahme positiver Trends, die gegen die allgemeine Branchenentwicklung sprechen, sind immer klare Indizien dafür, dass die Fortführungsprognose eine gewisse Parteilichkeit innehält.

Der Inhalt ist entscheidend

Bei der Erstellung kommt es nicht auf die Quantität von Papier oder hübschen Präsentation an, sondern vielmehr auf den kurzen, detailliert und informativ erstellten Inhalt und der damit verbundenen mittelfristigen Auswirkung auf das Unternehmen. Eine positive Fortführungsprognose kann unter Umständen neben den Anlagen auch nur aus 5 bis 10 Seiten bestehen – diese müssen dann eben einen klaren und realistischen Kern haben, um daraus die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig abzuleiten.

Erwartungen an die Fortführungsprognose

Sollte von entsprechender Seite also die Forderung nach einer Fortführungsprognose erfolgen, so hilft es allen Beteiligten, vorab ein allgemeines Gespräch zu führen, um die Erwartungen und Inhalte hinsichtlich der zu erstellenden Fortführungsprognose abzustimmen. In der Regel dienen hier die Vorgaben des IDW.

Fazit

Wenn im Ergebnis eine positive Fortführungsprognose mit allen geforderten Inhalten und Anlagen plausibel erstellt werden kann, ist handelsrechtlich von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen.

Ist die Fortführungsprognose allerdings negativ und kann nicht durch Auflagen und Beschwerungen zu einem positiven Ergebnis geführt werden, ist die Fortführung des Geschäftsbetriebes als überwiegend unwahrscheinlich anzusehen und Kreditentscheidungen werden in der Regel zu Ungunsten des Unternehmens getroffen.

Die vorliegende Fortführungsprognose dokumentiert dann aber, dass die Geschäftsführung ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Ob bei dem betroffenen Unternehmen dann eine Insolvenzantragspflicht in Form einer insolvenzrechtlichen Überschuldung vorliegt, muss ggfs. anhand einer Fortbestehensprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO überprüft werden.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner