Insolvenzverfahren über das Vermögen von Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbständigen

Autoren: Thomas Uppenbrink und Sebastian Frank

Keine gesetzliche Antragspflicht

Bei Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbständigen gibt es keine gesetzliche Insolvenzantragspflicht – auch keine analoge Antragspflicht, die sich aus den §§ 17 bis 19 InsO für Kapitalgesellschaften ergeben könnte. Für Unternehmerinnen und Unternehmer aus diesen Geschäftsfeldern gibt es allerdings Antragsrechte (und dazugehörige Pflichten), die verfahrenstechnisch variieren und bestimmte Vor- und Nachteile entfalten können.

Die Restschuldbefreiung als erstrebenswertes Ziel

Grundsätzlich ist beim Insolvenzeigenantrag, aber auch bei einem Fremdantrag bei einem Einzelunternehmen von der Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens auszugehen (gesondertes Antragsformular für Selbständige muss beachtet werden). Alle grundsätzlichen Mechanismen des vorläufigen und eröffneten Insolvenzverfahrens sind quasi identisch mit denen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann bei Einzelunternehmen aber auch ein Verbraucherinsolvenzverfahren (Privatinsolvenz für vormals Selbständige) durchgeführt werden.

So oder so gibt der Gesetzgeber den betroffenen Unternehmerinnen und Unternehmern das Recht, zeitgleich einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. Fehlt der Restschuldbefreiungsantrag bei Verfahrensbeantragung (versehentlich), muss das Insolvenzgericht die beantragende Person auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung hinweisen. Grundsätzlich ist dies aber von Seiten der Antragstellerin oder des Antragstellers bzw. durch entsprechende Beraterinnen und Berater genau zu prüfen, da eben der Antrag auf Restschuldbefreiung im Vorfeld gestellt werden sollte, da sonst der Sinn eines Insolvenzverfahrens in einem solchen Fall unterlaufen wird.

Das Gericht wird einen Antrag auf Restschuldbefreiung in der Regel aber generell ablehnen (vgl. § 290 InsO), wenn die antragstellende Person

  • bereits wegen Insolvenzstraftaten (§ 15a Abs. 4 InsO sowie §§ 283 ff. StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist,
  • beim Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens falsche Angaben gemacht hat,
  • nachweislich während des Insolvenzverfahrens der verpflichtenden Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist.

Fremdinsolvenzanträgen muss entgegengewirkt werden

Liegt Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO vor, fordert der Gesetzgeber bei Kapitalgesellschaften, dass ohne Zeitverzug ein Insolvenzantrag gestellt wird. Das ist bei Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbständigen nicht der Fall – hier spricht der Gesetzgeber den betroffenen Personen lediglich ein Recht auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu, da die antragstellende Person eh auch mit dem gesamten Privatvermögen haftet. Es besteht allerdings die konkrete Gefahr, dass wenn die betroffene Person bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit und im Wissen darüber weitere Aufträge und Bestellungen an Dienstleister oder Lieferanten vergibt, der Straftatbestandes des Betruges eröffnet wird und die daraus resultierenden Strafen drohen.

Es empfiehlt sich daher auch bei Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbständigen regelmäßig zu prüfen, inwieweit die Liquidität ausreichend ist, um die fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen.

In der Praxis werden sonst recht häufig Fremdanträge gestellt: Berufsgläubiger wie Krankenkassen, Finanzämter und Berufsgenossenschaften stellen sehr rasch entsprechende Anträge, wenn die Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden. Bei einem Fremdantrag ist das Risiko einer späteren staatsanwaltlichen Ermittlung deutlich höher, da eben ein Gläubigerantrag in der Regel vermuten lässt, dass die Zahlungsunfähigkeit schon länger vorliegt und die betroffene Person keine Konsequenzen daraus gezogen und sich sogar im strafrechtlichen Sinne etwa zu Schulden kommen lassen hat. Stellt die betroffene Person dann trotz vorliegender Zahlungsunfähigkeit keinen Eigenantrag, ist die Restschuldbefreiung meist verwirkt.

Sollten also Fremdanträge durch Berufsgläubiger gestellt werden, empfiehlt es sich unbedingt einen Eigenantrag nebst Antrag auf Restschuldbefreiung innerhalb der Widerspruchsfrist beim zuständigen Gericht einzureichen, um zumindest eine Restchance aufrecht zu erhalten!

Verbraucherinsolvenz bei Einzelunternehmen

Es gibt allerdings gem. § 304 InsO auch andere Verfahrenskriterien bei Einzelunternehmen. Nämlich wenn die Schuldnerin oder der Schuldner überschaubare Vermögensverhältnisse hat, keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen offen stehen und weniger als 20 Gläubiger vorhanden sind. In diesem Fall muss eine Verbraucherinsolvenzverfahren beantragt werden. Allerdings muss diesem ein gescheiterter außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan vorangehen – also ein weiterer Aufwand, der häufig auch von vornherein aussichtlos erscheint, da nur um Verzicht gebeten werden kann. Viele Gläubiger sind auch gar nicht bereit, außergerichtlich Zugeständnisse zu gewähren.

Verfahrensende und anschließende Restschuldbefreiung

Während der Wohlverhaltensperiode von mittlerweile 3 Jahren ist die Schuldnerin bzw. der Schuldner verpflichtet, den nachfolgenden Obliegenheiten nachzukommen:

  • ernsthafte Suche nach einer angemessenen und dem bisherigen Werdegang angepassten Erwerbstätigkeit, um die Gläubiger zu befriedigen,
  • sofortige Auskunft über jeden Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsel gegenüber der Insolvenzverwaltung,
  • Meldung und Herausgabe der gesetzlichen Anteile einer Erbschaft oder Schenkung,
  • Herausgabe von Lotto- und sonstigen Glücksspielgewinnen,
  • kein Eingehen von neuen und unangemessenen Verpflichtungen,
  • Keine ungleich behandelnden Zahlungen an Insolvenzgläubiger. Die Zahlungen an die Insolvenzgläubiger werden ausschließlich über die Insolvenzverwaltung geregelt.

Verstöße gegen diese Obliegenheiten führen ggfs. dazu, dass die Insolvenzverwaltung bei Gericht beantragt, dass die Restschuldbefreiung versagt wird. Bei Nichterteilung der Restschuldbefreiung können die Gläubiger ihre Forderungen nach Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterhin uneingeschränkt geltend machen (in der Regel per Schuldtitel, der 30 Jahre Gültigkeit behält).

Wird eine Restschuldbefreiung erteilt, wird die vom Insolvenzverfahren betroffene Person von sämtlichen und auch den nicht angemeldeten Forderungen zur Tabelle befreit, sofern sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben und nicht aus unerlaubter Handlung resultieren (Betrug etc.).

Freigabe der Masse durch Insolvenzverwaltung

Handelt es sich beim betroffenen Einzelunternehmen, Freiberufler oder Selbständigen um einen Kleinbetrieb in bespielhaften Bereichen wie Handwerk, Werbegrafik, Fotografie, Kleinspedition oder andere Kleindienstleister und Produktionsbereiche, ist eine Fortführung durch die Insolvenzverwaltung meist weder zweckmäßig noch massegenerierend. Daneben wird auch bei der Fortführung des Geschäftsbetriebes durch die Insolvenzverwaltung der Aufwand so groß, dass er in keinem Verhältnis zum Nutzen und auch zur Vergütung steht.

In der Regel wird man sich in solchen Fällen darauf einigen, dass die Insolvenzverwaltung den Geschäftsbetrieb aus der Insolvenzmasse an die betroffene Person freigibt, wenn die Verwaltung davon ausgehen kann, dass durch die freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit in eigenständiger Durchführung regelmäßig ein Festbetrag zur Masse fließt.

Gerade bei Kleinstbetrieben, die von der Schuldnerin oder dem Schuldner selbst geführt werden und in der Hauptsache zum Lebensunterhalt beitragen, wird dieses Mittel in der Praxis durchaus häufig angewandt. Der dann erwirtschaftete Gewinn bildet einen insolvenzfreien Neuerwerb und ist damit dem Zugriff der Insolvenzverwaltung zunächst entzogen. Aufgrund der Obliegenheiten gemäß § 295 InsO besteht aber die Verpflichtung, eine angemessenen Zahlung zur Masse zu leisten.

Neben der Pfändung des Einkommens über dem Freibetrag (vgl. Pfändungstabelle) ist es in der Praxis durchaus auch so, dass zwischen Einzelunternehmen, Freiberuflern und Selbständigen und der Insolvenzverwaltung eine feste monatliche Zahlung vereinbart wird, die unter Zugrundelegung von Nachweisen (Monatsauswertung) berechnet wird. Der abzuführende Betrag (angelehnt an die §§ 850 ff. ZPO) ist so zu fixieren, dass ein Betrag für den Lebensunterhalt des Schuldners sowie ein Vorschuss auf die im Folgemonat zu erwartenden Kosten (Umsatzsteuer etc.) abzuziehen ist. Der danach verbleibende Restgewinn (meist eine fest vereinbarte Summe) geht an die Insolvenzverwaltung zur Verteilung an die Gläubiger.

Eine solche Variante funktioniert aber nur dann, wenn eine ordentliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit gelebt wird.

Zusammenfassend gesagt bedeutet dies, dass

  • die gewerbliche, freiberufliche und selbständige Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens (mit Zustimmung der Insolvenzverwaltung) und außerhalb des Insolvenzverfahrens fortgesetzt werden kann,
  • Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die fortgesetzte Selbständigkeit nicht möglich sind,
  • unternehmerische Gewinne (nach Abzug der regelmäßigen Zahlung an die Masse) den Freiberuflern und Selbständigen zustehen.

Fazit

Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer gewerblichen, freiberuflichen und selbständigen Tätigkeit (durch Freigabe des Betriebes aus der Masse) auch während des Insolvenzverfahrens und es bieten sich unter Umständen dadurch sogar auch neue Chancen und einige Vorteile.

Im Rahmen der Freigabe einer selbständigen, freiberuflichen Tätigkeit wird die von der Insolvenz betroffene Person dann wieder in die Lage versetzt, unternehmerische Tätigkeiten auch ohne Zustimmung und Kontrollen auszuführen.

Altschulden (mit Ausnahme von Forderungen aus unerlaubter Handlung) können nicht mehr von den Gläubigern im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden.

Eine Restschuldbefreiung ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen ebenfalls weiterhin möglich.

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